: „Grundgesetzwidriger Vorschlag“
■ Horst Ehmke, SPD-Fraktionsvize, kritisiert „Manipulation aus wahltaktischen Gründen“
INTERVIEW
taz: Was halten Sie von dem vorgeschlagenen Oktober -Wahltermin?
Horst Ehmke: Nichts. Zunächst muß man ganz ruhig feststellen, daß dieser Vorschlag mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Nach Artikel 39 kann die Wahl frühestens am 18. November stattfinden. Der Kanzler und der Ministerpräsident sehen offenbar, daß sie nicht etwa die DDR aus ihren Schwierigkeiten herausführen, sondern daß die soziale und wirtschaftliche Krise der DDR viel tiefer wird und die Kosten der Einheit viel größer werden, als es selbst Lafontaine befürchtet hat. Jetzt möchten sie vor den Folgen weglaufen und wählen, bevor die Katastrophe richtig deutlich wird.
Sehen Sie als Motiv des vorgezogenen Wahltermins nur Wahltaktik?
Es handelt sich um eine reine Manipulation des Wahltermins aus wahltaktischen Gründen. Die Erwägungen, die Herr de Maiziere nennt - wirtschaftliche Hilfe und wirtschaftlich schwierige Lage - sind vorgeschoben. Denn an diesen Problemen würde eine vorgezogene Wahl überhaupt nichts ändern. Wenn Herr de Maiziere am Ende ist, soll die DDR nach Artikel 23 vorzeitig beitreten, dann muß sich die Bundesrepublik direkt um die Probleme der DDR kümmern. Es ist schon schlimm genug, wie die Herren Kohl und de Maiziere unsere Finanzordnung manipuliert haben. Wir dürfen es nicht zulassen, daß sie auch noch an der Wahl- und Verfassungsordnung manipulieren.
Bislang hatte sich die Union mit fast allem durchgesetzt. Warum sollte es nicht erneut klappen?
Der Vorschlag kann überhaupt nicht realisiert werden, weil das Grundgesetz geändert werden müßte. Über die dazu erforderliche Zweidrittelmehrheit verfügt die Koalition weder im Bundestag noch im Bundesrat.
Das Bonner Innenministerium soll den Vorschlag rechtlich geprüft haben.
Nun gut, das wird dann nichts anderes bedeuten, als daß sie wieder versuchen werden, irgendwelche Tricks anzuwenden.
Interview: Petra Bornhöft
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