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Ausgeflaggt?

■ Bremer Designer wollen neue deutsche Fahne / Hundertmarkschein?Oder wie?

Vor ein paar Wochen hat die „Titanic“ ihren Neuentwurf der deutschen Fahne vorgestellt, und auch die Organisatoren des Wettbewerbs „Neue Staatsflagge der Deutschen“ vom Bremer „Informations Design Centrum“ (IDC) geben zu, daß dabei „die Satire immer nah liegt“.

Klaus Jarchow, IDC, könnte sich eine gelbe Flagge mit zwei schwarzen und einem blauen Punkt vorstellen - als Symbol dafür, daß das Land der Blinden mit einem blauen Auge davongekommen ist. Seinem Kollegen Uli Wuttke fallen als Alternativen für den Reichsadler ein Hähnchen, zwei Biergläser oder eine Weißwurst auf schwarz-rot-goldenem Hintergrund ein.

Solche Verhohnepipelungen sind den beiden auch recht, aber es ist ihnen durchaus ernst mit der Idee, trotz der herrschenden Fahnenseligkeit die Flagge als ästhetisches Objekt zumindest theoretisch in Frage zu stellen. Sie ha

ben einen bundesweiten Wettbewerb ausgeschrieben, in dem sie alle Interessierten auffordern, Entwürfe zur Neugestaltung der Staatsflagge bei ihnen einzureichen.

Daß sie in der Praxis keine Chance haben, eine neue Fahne durchzusetzen, ist ihnen durchaus klar. Jarchow: „Wir wissen natürlich selber, daß es unmöglich sein wird, 500.000 deutsche Fußballfans dazu zu bewegen, sich ein neues Outfit zuzulegen. Ich denke aber, daß es eine gewisse Sprachlosigkeit von kreativen oder kritischen Intellektuellen gegenüber dem Thema Nation gibt. Und eine Auseinandersetzung auf künstlerische und ästhetische Art mit den Symbolen dieser Nation ist sicher ein Ansatz, der viele Menschen ansprechen wird.“

Schwarz-Rot-Gold waren zum Beispiel nicht so ungebrochen die Farben des republikanischen Fortschritts wie allgemein angenommen wird. Jarchow: „Man

muß auch sehen, daß Schwarz-Rot-Gold immer die Farben von Verliererprojekten oder Provisorien der deutschen Geschichte waren. Sei es die Revolution von 1848, sei es die Weimarer Republik oder der merkwürdige Umstand, daß zwei so unterschiedliche Gesellschaften wie die BRD und DDR sich doch auf diese Farben einigen konnten.“

Ein positives Beispiel für das Infragestellen der staatlichen Symbole haben die Organisatoren in Neuseeland gefunden, wo unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit eine neue Fahne gesucht wird.

Dort sind die Bürger nicht mehr zufrieden mit dem britischen Union Jack, der immer in der linken Ecke ihrer Flagge mitflattert, und einer der Neuentwürfe hat gute Chancen, zum neuen offiziellen Staatssymbol zu werden, vielleicht sogar der von dem Österreicher Friedensreich Hundertwasser: die Stilisierung einer

ausrollenden grünen Welle.

Das Bremer Projekt ist dagegen eher bescheiden gehalten, mit drei Preisen von 1000 bis 3000 Mark und einer Wanderaustellung, auf der möglichst alle eingegangenen Entwürfe gezeigt werden.

Diese Ausstellung wird mit der Preisverleihung am 9. November im Kultursaal der Angestelltenkammer eröffnet. Danach wird sie noch in Frankfurt, Berlin und Dresden zu sehen sein.

In der Jury werden Kunstprofessoren und „möglichst auch ein Semiotiker“ sitzen, die „nach ästhetischen Gesichtspunkten und gemäß der symbolbildenden Kraft der Entwürfe“ (Jarchow) auswählen sollen.

Bis zum 15.10. können alle, die Lust haben, Entwürfe für neue Fahnen als Reinlayouts und nicht größer als DIN A3 an die IDC Bremen GmbH in der Dölvesstr. 8 schicken.

Wilfried Hippen

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