Vier Teile über Abtreibung: parteilos

■ „Abtreibung im schrankenlosen Deutschland“, Frei., ARD, 22 Uhr

„Gott und die Welt“ kam beim Thema Abtreibung nicht mit Bibel und Strafgesetzbuch daher. Sensibel, das muß sich die Redaktion des Kirchenmagazins gedacht haben, müssen wir vor allen Dingen berichten. Und: wir müssen allen gerecht werden. Und: wir dürfen uns nicht allzu weit vorwagen. Das geht dann so. Teil eins: die Betroffenen. Frauen aus Ost und West, die selbstbewußt die Gründe für ihre Abtreibungen vortrugen. Gescheiterte Beziehungen, berufliche Situation, Wohnungsnot. Die durften die Beratung bei „Caritas“ auch mal einen „Schmarren“ nennen, selbstkritische Töne schaden schließlich nichts. Dann Teil zwei: der Fötus. Kameraschwenks über den OP, Ultraschallaufnahmen, Bilder aus der 13. Schwangerschaftswoche, „alles ist schon da“, sagt die Sprecherin aus dem Off. Der Embryo wird als eigenständiges Lebewesen gezeigt - das er nicht ist - die Frau ist plötzlich weg, nur ihre gespreizten Beine auf dem gynäkologischen Stuhl sind zu sehen. Diese Art von Bildern verselbständigen das „ungeborene Leben“. So kann es schließlich mit „behinderten“ oder „sterbenden Leben“ gleichgesetzt werden.

Und nun nach der Exposition des Problems stellt sich die Frage, hat die Frau ein Recht oder gar der Fötus? Und da kam schon Teil drei: kirchliche Basisarbeit, Müttergruppen in Memmingen, die Kinderbetreuung organisieren, evangelische Sozialarbeiterinnen, die ein Apartementhaus für alleinerziehende Mütter betreiben. Dieser Teil war der unangenehmste. Der war so hochsensibel und voll des Mitleids und roch nach 19.Jahrhundert und „gefallenen Mädchen“, obwohl alles ganz neuzeitlich im bemühten Sozialarbeiterdeutsch verhandelt wurde. Oder gerade deshalb. Also, wir alle können helfen, aber „Gott und die Welt“ ist ein aufgeklärtes, ein gesellschaftskritisches Kirchenmagazin und deshalb wurden - Teil vier - die PolitikerInnen in die Pflicht genommen. Denn die sind ja schließlich verantwortlich für Wohungsnot und fehlende Kindergärtenplätze. Statement an Statement für oder gegen die Fristenregelung, vom christlich-sozialen Ministerpräsidenten Streibl bis zur grünen Frauenministerin Schoppe, man kennt das alles. Dann noch die Kirchenoberen: Bischof Joachim F. Reinelt aus Dresden durfte unwidersprochen behaupten, die Kirche sei schon immmer für die Frauen da gewesen. Abmoderation: Keine offenes Wort, keine Parteinahme für oder gegen den Paragraph 218, wohlweislich bleibt es in der Schwebe. „Hilfe statt Strafe“, sagte die Moderatorin treuherzig. Amen. Darunter können sich wirklich alle wiederfinden.

Helga Lukoschat