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Zumutung

■ betr.: "PDS will mit Linker Liste gen Parlament", taz vom 30.7.90

betr.: „PDS will mit Linker Liste gen Parlament“, taz vom 30.7.90

Nach mehreren Monaten Aufenthalt im Ausland lese ich, daß die stalinistische Konkursmasse PDS im vereinigten Deutschland zusammen mit versprengten BRD-Linken die „sozialistische Vision“ beleben möchte: eine typisch deutsche Realsatire mit einem Maximum an gefühligen Identitätsbekundungen („Wir sind links!“) und einem Minimum an Realitätsnähe („Wir werden gebraucht!“).

Den dogmatischen linken Grufties sei ins Stammbuch geschrieben: Jede ernst zu nehmende linke Bewegung muß von relevanten Teilen der abhängig Beschäftigten unterstützt oder zumindest toleriert werden. Die sich ausdrücklich als SED-Nachfolgepartei verstehende PDS wird aber ein für alle Male das Stigma der Partei tragen, die jahrzehntelang die eigene Bevölkerung kolonisiert hat. Die Bevölkerung, insbesondere die Arbeiter und die Intellektuellen, haben ihre Gefängniswärter davongejagt. Sie werden es als Zumutung empfinden, wenn ausgerechnet ehemalige SED- und DKPler sich als ihre Anwälte aufspielen wollen und mit „Sozialismus“ drohen.

Die neue - hoffentlich bald nachkapitalistische Gesellschaft in Deutschland wird sich im Kräftespiel zwischen Kapital(gruppen), Gewerkschaften, der alten Tante SPD und den neuen sozialen Bewegungen herausbilden. Für die Nachfolger der stalinistischen Bankrotteure wird kein Platz sein. Es sei denn, die herrschenden Kräfte brauchen sie, um den Status quo zu rechtfertigen: Denn der mieseste Kapitalismus wird den abhängig Beschäftigten immer noch attraktiver erscheinen als das der PDS/Linken Liste anhängende Desaster des „sozialistischen“ Repressionsstaates und der maroden Kommandowirtschaft.

Werner Sechting, Köln (BRD)

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