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Eine „atomfreie“ Zone im Südpazifik?

■ Vor fünf Jahren deklarierte das Südpazifik-Forum eine „nuklearfreie Zone Südpazifik“ (SPNFZ) / Die Atommächte USA und Frankreich unterschrieben einfach nicht

Von Eckart Garbe

Am 6.August 1985, dem 40.Jahrestag von Hiroshima, beschlossen die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten des Südpazifischen Forums während ihres jährlichen Gipfeltreffens, damals auf den Cook-Inseln unter den Kokospalmen von Rarotonga, ein Abkommen, das die Südpazifikregion als nuklearfreie Zone (SPNFZ) deklarierte. In Washington hielt man das Telex aus Rarotonga zuerst für einen Scherz.

Ozeanische Liliput-Nationen wie die Cook-Inseln, Niue, Kirirbati, Tuvalu, Westsamoa, Nauru, die Solomon-Inseln, Papua Neuguinea, Fiji, Neuseeland und selbst das eng mit den USA verbündete Australien nahmen sich da unerhörte Frechheiten heraus. Das SPNFZ-Abkommen, auch Spin-Fizz genannt, störte die USA, die den ganzen Pazifischen Ozean als ihr ureigenes Terrain betrachten. Die Atommächte Sowjetunion und China hingegen unterschrieben die sie betreffenden Protokolle.

Großbritannien, Frankreich und die USA haben bis heute nicht unterzeichnet. Und dies, obwohl die US-Navy keineswegs eingeschränkt worden wäre, denn Spin-Fizz richtet sich im Kern an die Südsee-Inseln selbst. Das Abkommen verbietet ihnen den Bau, Erwerb und Besitz von Atomwaffen, es untersagt, Atombasen in den südpazifischen Inselstaaten und ihren Zwölf-Seemeilen-Zonen zuzulassen, es verbietet Atomtests. Das Abladen radioaktiven Abfalls auf See wurde unterbunden, nicht jedoch Mülldepots an Land.

Spin-Fizz erlaubt fremden Mächten durchaus die Durchfahrt von atomgetriebenen und mit Atomwaffen bestückten Schiffen und U-Booten, den Durchflug von atombewaffneten Jets und Bombern, den Betrieb von „atomkriegswichtigen“ Bodenstationen und Raketentests. Es läßt militärische Übungen und auch Bündnisse mit Atommächten zu, ebenso wie den Bau von AKWs. Es unterbindet auch nicht den Abbau von Uran, Uranexporte und die Passage von mit Uran beladenen Schiffen. Kurzum, es stoppt keine Atom-Armada und verhütet beileibe nicht alle nuklearen Aktivitäten. Das Etikett „atomfrei“ täuscht.

Spin-Fizz erstreckt sich von Südamerika bis nach Australien, vom Antarktis-nahen 60.Breitengrad Süd bis im Norden entlang des Äquators. Doch diese riesige Ozeanzone umfaßt nicht das SDI-Testatoll Kwajalein in Mikronesien und die beiden bedeutsamen US-Atomstützpunkte auf Guam und Hawaii. Ohne Unterschrift aus Frankreich zählen auch dessen Kolonialterritorien, allen voran Tahiti-Polynesien, wo Paris auf Mururoa und Fangataufa bis heute seine Atomtests zündet, nicht dazu.

Atomwaffenfreie Zonen gibt es bereits in drei unbewohnten Gebieten. Antarktis (1959), Weltraum (1967) und Tiefsee (1971) und für eine bewohnte Region südlich der USA, nämlich Südamerika und Karibik, wo das Abkommen von Tlatelolco seit 1967 Tests, Bau und Erwerb von Atomwaffen verbietet. Freilich unterzeichneten Atomaspiranten wie Brasilien und Argentinien damals nicht.

Doch im Pazifischen Raum, wo die USA 55 Überseebasen besitzen, regte sich seit den 60ern vermehrt Widerstand. Australien, das Uran exportiert und wichtige US-C3-Stationen (Kommunikation, Kommando, Kontrolle und Spionage) wie Pine Gap, Nurrungar und Nordwestkap beheimatet, wurde initiativ, da es substantielle Verträge verhindern wollte.

Daß die USA, die bis dahin allen vier bisherigen Abkommen, die „atomwaffenfreie Zonen“ schufen, beigetreten waren, bei diesem dann doch mauerten, verblüffte selbst Australien. Offenbar gibt es im Pentagon ernsthafte Befürchtungen, daß die Funken überspringen und eine Kette solcher Zonen zwischen Amerikanisch-Samoa und Sumatra, Mururoa und dem Johnston-Atoll, vom Indischen Ozean bis zu den Philippinen und nach Hawaii entstehen könnte.

Dann würde es allerdings eng für die USA. Deren Philippinen -Stützpunkte Subic und Clark mit Guam, Okinawa und anderen Basen in Japan und Südkorea bilden das Rückgrat des US -Pazifikkommandos, das bis nach Diego Garcia (vor Südafrika) und zum Golf operiert. Spin-Fizz änderte also nichts an den Realitäten, sondern schrieb Zustände fest.

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