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Iran nutzt die Gunst der Stunde

■ Die Aufhebung von Rushdies Todesurteil und die Freilassung von Geiseln stehen zur Debatte

London/Teheran (afp) - „Mit Interesse“ hat die britische Regierung am Samstag den iranischen Vorstoß zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen aufgenommen. Radio Teheran hatte zuvor berichtet, daß der Oberste Rat zur Nationalen Sicherheit, das höchste Entscheidungsgremium des Landes unter dem Vorsitz von Staatschef Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, sich für diesen Schritt ausgesprochen habe. Nach Angaben des britischen Außenministeriums gibt es jedoch noch eine Reihe von Hindernissen, die Regierung erwarte eine „überzeugende Geste des guten Willens“ - eine Formulierung, hinter der sich nach Ansicht von Beobachtern die Aufhebung des Todesurteils gegen den islamischen Schriftsteller Salman Rushdie verbirgt. Im März 1989 war es der Grund für den Abbruch der bilateralen Beziehungen.

Laut Radio Teheran erachtete der Oberste Rat Irans die jüngsten Erklärungen des britischen Außenministers Douglas Hurd als „ausreichend“ für die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen. Hurd hatte am Mittwoch erklärt, sein Land wolle den Islam nicht beleidigen und habe nichts zu tun mit der Veröffentlichung der Satanischen Verse, die viele Moslems für blasphemisch halten. Nicht zuletzt aus innenpolitischen Motiven bemühen sich Großbritannien und Iran in einem mühsamen Prozeß um die Erneuerung des Dialogs.

Für Staatschef Rafsandschani bedeutet der Beschluß einen weiteren Schritt gegen die politischen Falken innerhalb seines Landes. Die Sitzung des Obersten Rats fiel in die Sommerpause des islamischen Parlaments (Madschlis), in dem der größte Teil der Hardliner vertreten ist. Allerdings nahm nach Berichten der offiziellen Nachrichtenagentur 'Irna‘ der Parlamentspräsident Mehdi Charuti, der häufig mit harten Positionen in Verbindung gebracht wird, an der Konferenz teil. Teheran scheint die Gunst der Stunde nutzen zu wollen. Da sind die Annäherungsbestrebungen Rafsandschanis an die EG und die unverhoffte internationale Isolierung des Erzfeindes Irak.

Auch der britische Außenminister Hurd ist aus innenpolitischen Gründen für eine Normalisierung der Verhältnisse. Nachdem Anfang des Jahres die US-amerikanische Geisel Frank Reed im Libanon freigekommen war, verstärkte sich der öffentliche Druck, die Beziehungen zu Iran wiederaufzunehmen, um die Freilassung zweier britischer Geiseln im Libanon zu erreichen. Hurd hat jedoch wiederholt erklärt, daß eine Aufhebung des Todesurteils gegen Rushdie unumgänglich sei. Das in „alle Ewigkeit gültige“ Urteil, das alle Moslems der Erde zur Ermordung des Schriftstellers aufruft, ist wiederholt von iranischen Führern bestätigt worden - und vor allem von dem Nachfolger Chomeinis, dem Ayatollah Chamenei.

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