: Lafontaine setzt Angriff auf Asylrecht fort
■ 'Spiegel‘: Saarländisches Innenministerium arbeitete Papier für weitere Abschottung der Grenzen aus / Ansbacher Verwaltungsrichter schreibt Urteil über Asylantrag vor Beginn der Hauptverhandlung
Berlin (taz) - Der von SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine angekündigte Angriff auf das Asylrecht wird konkreter. Wie der 'Spiegel‘ in seiner heutigen Ausgabe berichtet, hat das saarländische Innenministerium in Lafontaines Auftrag ein Papier erstellt, das den Grundgesetzartikel 16 erheblich eingeschränken würde. Danach soll der Asylparagraph um die beiden Sätze erweitert werden: „Durch Bundesgesetz können die Voraussetzungen geregelt werden, unter denen die Bundesregierung durch eine Rechtsverordnung Staaten nennen kann, in denen nach allgemeiner Überzeugung keine politische Verfolgung stattfindet. Die Rechtsverordnung der Bundesregierung bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.“
Lafontaines Ziel ist, bestimmte AsylbewerberInnen schon an der Grenze abzuweisen. Dazu sollen vorerst Personen aus Staaten der Europäischen Gemeinschaft sowie aus Österreich gehören. In die entsprechend zu ändernden Paragraphen des Asylverfahrensgesetzes könnten aber auch weitere Länder aufgenommen werden. Mit einem ähnlichen Vorschlag hatte der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) bereits 1988 parteiübergreifenden Zorn auf sich gezogen. Heute jedoch findet Lafontaines Vorschlag Unterstützung vor allem aus der Union.
So beklagte sich der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU -Fraktion im Bundestag, Johannes Gerster, am Wochenende über die neuesten Zahlen von AsylbewerberInnen. Im Juli seien 18.855 Flüchtlinge in die Bundesrepublik gekommen, um Asyl zu beantragen. Gerster fordert nun, daß eine Änderung des Grundrechts auf Asyl schnellstens in Angriff genommen werden müßte. Der Unionspolitiker erklärt Lafontaines harte Haltung mit dessen jüngsten Erfahrungen im saarländischen Lebach. Bürger der Kleinstadt hatten sich über das dortige Sammellager für AsylbewerberInnen beschwert, vor allem über die große Zahl von Roma und Sinti. Wie berichtet, hatte Lafontaine die Sozialhilfezahlungen an AsylbewerberInnen einstellen und, neben einem monatlichen Taschengeld, nur noch Naturalien an die Flüchtlinge verteilen lassen. Viele Roma verließen danach Lebach - was Lofantaine als seinen politischen Erfolg verbucht. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht das anders: Er wirft Lafontaine vor, mit „falschen Zahlenangaben“ eine „Pogromstimmung“ in Lebach zu erzeugen.
Lafontaines Vorstoß ist offenbar mit Baden-Württemberg abgestimmt. Die Stuttgarter Landesregierung bestätigte, daß es in dieser Sache Kontakte zwischen Späth und Lafontaine gebe. Auch der Kanzlerkandidat erkärte, sich mit seinem Stuttgarter Kollegen abgesprochen zu haben.
Währenddessen flog in Ansbach ein Verwaltungsrichter bei seinem Versuch auf, das Asylrecht sehr eigenwillig zu praktizieren. Im Verfahren um den Asylantrag eines kurdischen Flüchtlings hatte der Richter das Urteil bereits vor Eröffnung des Hauptverfahrens verfaßt. Das berichtete die 'Frankfurter Rundschau‘ am Samstag. Als Rudolf Renner, Rechtsanwalt des kurdischen Flüchtlings, um Akteneinsicht bat, fand er bei den Unterlagen auch das säuberlich unter den Briefkopf des Ansbacher Verwaltungsgerichts getippte Urteil. Danach sei die Klage gegen die vom Zirndorfer Bundesamt verfügte Ablehnung des Asylantrages kostenpflichtig abzuweisen und eine Berufung nicht zuzulassen. Das Verfahren sollte erst am Freitag dieser Woche eröffnet werden.
ak
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