: Iraks Waffen kommen aus aller Welt
■ BRD und Südafrika sind Hauptlieferanten / Sind Embargoversprechen glaubwürdig?
Berlin (taz/ips) - Ohne kräftige Hilfe zahlreicher Staaten aus West, Ost und Süd gäbe es die irakische Kriegsmaschine heute nicht. Frankreich, China, Polen, BRD, Brasilien, CSFR, Italien, UdSSR... - lang ist die Liste der Länder, deren Regierungen seit Freitag die Unterbindung aller Waffenlieferungen an Bagdad angekündigt haben. Konkrete Maßnahmen zur Durchsetzung des Embargos wurden bislang nicht bekanntgegeben - auch nicht im Zusammenhang mit den in Rom verkündeten EG-Sanktionen. Die Glaubwürdigkeit derartiger Ankündigungen erhöht auch nicht gerade die Tatsache, daß eine ganze Reihe der Regierungen in der Vergangenheit nachgewiesene Rüstungsgeschäfte mit dem Irak immer bestritten hat. Das gilt vor allem für die Bonner Koalition, unter deren wachsamen Augen sich die bundesdeutsche Wirtschaft seit Anfang der 80er zu Bagdads wichtigstem Partner im Rüstungsgeschäft gemausert hat. Bei der Herstellung von Chemiewaffen und biologischen Kampfstoffen, beim Bau von Kanonen und Raketen oder bei der Entwicklung einer irakischen Atombombe - überall waren und sind bundesdeutsche Firmen führend beteiligt. Der 'Spiegel‘ berichtet in seiner heutigen Ausgabe, daß noch am Donnerstag und Freitag letzter Woche für die irakische Luftwaffe bzw. für das Kriegsministerium in Bagdad bestimmte Lieferungen von MBB und der Klöckner Industrie-Anlagen GmbH die Flughäfen in Frankfurt und Zürich verließen. Das Hamburger Magazin nennt noch einmal die spektakulärsten unter den seit 1984 zumeist vom 'Spiegel‘ selber, der taz oder den Politmagazinen der ARD aufgedeckten Fällen bundesdeutscher Beteiligung am Aufbau der irakischen Kriegsmaschine: Für die Entwicklung von Chemiewaffen und Mittelstreckenraketen im militärischen Forschungszentrum Mosul liefer(te)n unter der Generalunternehmerschaft der Bielefelder Gildemeister Projecta GmbH unter anderem MBB, Carl Zeiss oder Degussa Bestandteile, Know-how und Experten; die münsterländische Firma H+H Metallform hilft bei der Urananreicherung für die irakische Atombombe; gegen die Karl Kolb GmbH ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen vermuteter Lieferungen von Anlagen und Know-how für Iraks Giftgasproduktion. Erst kürzlich wurde im größten Rüstungskomplex des Nahen Ostens, in Tschadi bei Bagdad, eine riesige Kanonenfabrik fertiggestellt. Allein daran, zitiert der 'Spiegel‘ bundesdeutsche Fahnder, sind mehr als 100 BRD-Firmen beteiligt - darunter die Siemens AG, MAN oder die Ruhrgas AG.
Treffe der 'Spiegel'-Bericht zu, liege ein „Verbrechen“ vor, erklärte die SPD und forderte von der Bundesregierung „Aufklärung“. Das Verbrechen begann bereits unter SPD -kanzler Schmidt in den 70er Jahren: Unter anderem lieferte MBB seinerzeit BO-105-Kampfhubschrauber und Daimler-Benz militärische Unimogs an den Irak. Waffen vor allem aus deutsch-französischen Koproduktionen, bei denen Bonn auf eine Endverbleibsklausel verzichtet hatte, landeten in großen Mengen im Irak. Auch das 1984 aufgeflogene Geschäft der Firma Karl Kolb wurde bereits vor Kanzler Kohls Amtsantritt im Oktober 1982 angebahnt.
Zu den Hauptausrüstern und -ausbildern der irakischen Armee gehört(e) neben bundesdeutschen Firmen auch das Apartheidregime. Die staatliche südafrikanische Waffenschmiede „Armscor“ lieferte in den achtziger Jahren mindestens 100 G-5-Kanonen im Wert von einer Milliarde US -Dollar an Bagdad und bildete irakische Soldaten an dem Waffensystem aus. Das berichtete die Johannesburger Zeitung 'Daily Mail‘ am Wochenende unter Berufung auf Rüstungsexperten in Südafrika und im Nahen Osten. Die G-5 -Kanone mit einer Reichweite von 42 Kilometern und einer computergestützten Feuerkontrolle gehört zu den modernsten schweren Artilleriewaffen der Welt. Bis zu einer Drohung Bagdads, alle Kaufverträge zu annullieren, wurde laut 'Daily Mail‘ auch der Iran von „Armscor“ beliefert. Nach Angaben des Südafrika-Korrespondenten der renommierten Militär -Fachzeitschrift 'Jane's Defence Weekly‘, Helmoed Heitman, sei es „sehr wahrscheinlich“, daß die G-5 beim irakischen Überfall auf Kuwait eingesetzt wurde. Heitmann geht davon, daß „Armscor“ nach wie vor Instandhaltungsarbeiten an den irakischen G-5-Beständen ausführt sowie Ersatzteile und Munition liefert. Neben der G-5 verwende der Irak auch südafrikanische Panzerminen und Funkausrüstung. Es gebe zudem starke Hinweise, daß Bagdad Luft-Luft-Raketen des Typs Kukri bei „Armscor“ bestellt habe. Bedeutsamer Waffenlieferant für Saddam Hussein war bislang auch Brasilien, dessen wichtigster Öllieferant der Irak ist. Sao Paulos Waffenschmiede Engasa lieferte allein Rüstungsgüter für 500 Millionen US-Dollar, darunter 300 leichte, für den Wüstenkrieg besonders geeignete Cascavel-Panzer sowie 100 Jararaca-Panzerfahrezuge. Zehn hochmoderne mobile Raketenwerfer vom Typ Astros II und 80 Turboprop-Flugzeuge besorgte sich der Irak bei der Firma Avibras in Sao Jose dos Santos.
Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen