: Riedmüller in den Schacht Konrad?
■ Heute will die SPD den Streit um den HMI-Reaktor entscheiden / Schreyer bleibt hart / SPD-Senatorin Riedmüller würde HMI-Müll gerne in den niedersächsischen Schacht Konrad schicken
Berlin. Ihre Kernspaltung hat sie zwar noch vor sich, vielleicht braucht die rot-grüne Koalition aber schon heute einen Berstschutz. Einen Tag vor der womöglich entscheidenden Senatssitzung beharrte die von der AL gestellte Umweltsenatorin Michaele Schreyer gestern auf ihrer Absicht, dem Forschungsreaktor des Hahn-Meitner -Instituts (HMI) keine Betriebsgenehmigung zu erteilen. In den Augen von Schreyers sozialdemokratischer Kontrahentin, Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller, ist es dagegen nach wie vor der „Knackpunkt“, die forschungspolitische Bedeutung des Reaktors zu berücksichtigen. „Im Genehmigungsverfahren selbst“ seien die „forschungspolitischen Interessen Berlins einzubeziehen“, erklärte Riedmüller ohne Scheu vor diesem offenen Widerspruch zur geltenden Gesetzeslage.
In einer Sondersitzung des parlamentarischen Wissenschaftsausschusses kündigte die Wissenschaftssenatorin an, in der heutigen Senatssitzung werde der Senat die umstrittene Entsorgungsfrage und die Zuständigkeit für die Reaktorgenehmigung „entscheiden“. Das Genehmigungsverfahren für den HMI-Reaktor eigne sich nicht als „Pilotprojekt“, um bundesweit eine andere Interpretation des Atomgesetzes durchzusetzen, ließ die Senatorin nach der Ausschußssitzung erklären. Bei dem Berliner Meiler handele es sich um kein Kernkraftwerk, sondern um ein Forschungsinstrument. Selbst die SPD-Regierung von Schleswig-Holstein habe noch im letzten Jahr einen Forschungsreaktor genehmigt, wies Riedmüller Schreyers Hoffnung auf Unterstützung aus Kiel zurück.
Mag Riedmüller auch die bundesdeutschen Sozialdemokraten hinter sich wissen, die verschiedenen SPD-geführten Senatsverwaltungen in West-Berlin sind sich nach wie vor nicht einig, wie sie in der HMI-Frage vorgehen sollen. Abteilungsleiter Hans-Otto Vössing aus dem Hause von Justizsenatorin Jutta Limbach bestätigte, daß seine Verwaltung hinter Schreyers Auffassung stehe, wonach die Umweltverwaltung allein für die Genehmigung zuständig sei. Die Senatskanzlei und Innensenator Pätzold „neigten“ dagegen „zu der Auffassung“, der Senat als ganzer könne eine Betriebsgenehmigung erteilen. Vössing warnte aber vor den Folgen, wenn der Senat das Genehmigungsverfahren durch einen einfachen politischen Beschluß ersetzen würde. Die Justizverwaltung habe „erhebliche Zweifel“, ob das Verwaltungsgericht eine auf diese Weise zustande gekommene Genehmigung akzeptieren würde. Der Limbach-Jurist wies gleichzeitig aber einen einfachen Weg, wie sich die SPD -Mehrheit im Senat doch durchsetzen könnte. Per Senatsbeschluß könne man Schreyer die Zuständigkeit für das Genehmigungsverfahren entziehen. Für diesen Fall hatte die AL bisher allerdings den Bruch der Koalition angedroht.
Welchen Weg die SPD im Senat morgen wählt, blieb gestern offen. Der SPD-Abgeordnete Jürgen Wagner meinte gestern im Wissenschaftsausschuß, daß „morgen oder in 14 Tagen“ entschieden werden müsse. Alle Verwaltungen sind sich nach Vössings Worten jedoch einig, daß die von Senatorin Riedmüller vertretene Meinung nicht haltbar sei, wonach es die einschlägige alliierte Kommandatura-Order erlaube, über Schreyers Kopf hinweg zu entscheiden. Riedmüller glänzte aber auch gestern mit einem mißglückten Ausflug ins Reich der Atome.
Die Senatorin bedauerte, daß das schon von der niedersächsischen Regierung Albrecht auf Eis gelegte Atommüllager Schacht Konrad nicht zur Verfügung stehe, für den HMI-Müll sei es doch gut geeignet. Schreyer konnte mühelos kontern: Für hochangereichte Brennstäbe, wie sie im HMI anfielen, sei Schacht Konrad - weil für schwach- und mittelaktive Abfälle vorgesehen - überhaupt nicht geeignet.
hmt
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