piwik no script img

BUNSENBRENNER BUNSENBRENNER Schizo-Hasso und Softi-Waldi

■ Frankreichs Hundepsychiater ist schwer im Streß

Das schwüle Wetter im hochsommerlichen Paris und der Preßlufthammer von der Baustelle zerren an den Nerven. Elliot, ein dreijähriger Terrier, bekommt seine Depression. Die Ohren hängen schlaff herunter, glasige Augen stieren ins Leere, der Freßnapf bleibt unberührt. Doch keine Angst, Herrchen weiß, was zu tun ist. Er steckt acht Scheine ein und die beiden fahren ins nordöstliche Paris. Hier hat Patrick Pageat - Veterinär, Verhaltensforscher und Frankreichs großer Hundepsychiater - seine Praxis.

„Früher mußten verhaltensgestörte Hunde oft eingeschläfert werden“, sagt Pageat, heute kennt der Tierarzt ausgefeilte Therapien, die „der Behandlung von Menschen sehr ähnlich sind“. In schwierigen Fällen verabreicht Pageat zunächst eines von 30 chemotherapeutischen Medikamenten, die er im Laufe von acht Jahren an den Hunden getestet hat. Anschließend erstellt er einen Verhaltenskatalog, den Herr wie Hund exakt befolgen müssen.

„Meistens haben die beiden das gleiche Problem“, faßt Pageat seine Erfahrungen zusammen. „Für eine erfolgreiche Behandlung müssen beide therapiert werden.“ Häufigster Fall in seiner Praxis ist jenes Syndrom „König des Hauses“. Als Ersatz für den verstorbenen Ehepartner oder die erwachsenen Kinder wird der Hund solange gehätschelt, bis er zum Tyrannen wird. Er frißt nur noch, wenn er am Tisch sitzen darf, er vertreibt sein Herrchen aus dem Bett, er will ständig unterhalten werden oder er pißt in alle Wohnungsecken. Die psychische Krise von Besitzer und Hund, räsoniert der Fachmann, sei dann „nur noch eine Frage der Zeit.“

Angst, Eifersucht, Streß, Einsamkeit: Patrick Pageat macht für die Vierbeiner die klassischen Probleme aus. Und natürlich wird auch beim Hund alles frühkindlich determiniert: Die entscheidende Phase sind die ersten drei Lebensmonate. Was hier versaut wird, läßt sich schwer reparieren.

Die Hundetherapie dauert in der Regel nur drei Monate, in schwierigen Fällen ein halbes Jahr. „75 Prozent meiner Patienten kann ich heilen“, behauptet Pageat. Die Popularität des Hundepsychiaters zeigt sich auch an seinen überfüllten Vorlesungen an der Pariser Universität Maisons -Alfort. Die Kosten für Pageats Behandlung liegen übrigens bei 800 Franc (236 Mark) für die gesamte Therapie. Inzwischen kommen rund 700 Patienten jährlich in die Praxis, täglich mindestens zwei.

In Frankreich, mit neun Millionen Hunden Spitzenreiter in Europa, braucht sich der Hunde-Seelentröster keine Sorgen um die Zukunft zu machen. Und er will expandieren. Im kommenden Jahr eröffnet Pageat mitten in Paris die erste psychiatrische Klinik für Vierbeiner. Dann kommen auch Katzen, Pferde und selbst Kühe auf die Couch.

dpa/taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen