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Sanktionen, Drohungen und Militäraufmarsch gegen Irak

■ UNO verhängt Wirtschaftsembargo / US-Bomber in der Türkei in Stellung / Israel droht Irak mit „Massenmord“ / Kuwaits Währung wird abgeschafft

Bagdad/Kuwait/New York (afp/ap/dpa) - Vier Tage nach der Invasion des Irak in Kuwait hat der UN-Sicherheitsrat am Montag abend mit großer Mehrheit ein weitgehendes Embargo gegen den Irak beschlossen. Damit soll Saddam Hussein gezwungen werden, seine Truppen umgehend und ohne Vorbedingungen aus Kuwait zurückzuziehen. Für die Resolution stimmten 13 der 15 Ratsmitglieder, darunter die USA, die UdSSR und China. Nur Kuba und der Vereinigte Jemen, einziges arabisches Mitglied des Sicherheitsrats, enthielten sich der Stimme. Der UN-Sicherheitsrat hat damit zum dritten Mal seit seiner Gründung - nach den Sanktionen von 1967 gegen Rhodesien und denen von 1977 gegen Südafrika - ein Rüstungsembargo gegen ein UN-Mitglied verhängt.

Die irakische Regierung hat die verhängten Sanktionen als „null und nichtig“ zurückgewiesen. Sie seien nur auf „Druck der USA“ zustande gekommen. „Das irakische Volk läßt sich durch Sanktionen nicht einschüchtern“, meinte der Oberbefehlshaber der irakischen Streitkräfte in Bagdad. US -Präsident George Bush erklärte dazu in Washington, er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um die Sanktionen durchzusetzen.

Aus Bagdad und Kuwait fehlte am Dienstag jeder Hinweis, ob der Rückzug irakischer Truppen aus Kuwait weiterging. Präsident Saddam hatte am Sonntag mitteilen lassen, die nächsten Einheiten der auf 100.000 Mann geschätzten Invasionstruppen würden am Dienstag zurückgeholt. Nicht zu den Rückzugsankündigungen paßt indes die Drohung, die Saddam Hussein nach einem Bericht der 'Washington Post‘ in einem Gespräch mit Josef Wilson, dem Geschäftsträger der US -Botschaft in Bagdad, ausgestoßen haben soll. Er werde, so der irakische Regent, Saudi-Arabien anzugreifen, falls die Regierung in Riad entsprechend des UNO-Beschlusses die Leitungen sperren sollte, die irakisches Öl zum Roten Meer transportieren. Ein Sprecher der irakischen Nachrichtenagentur 'ina‘ dementierte den Bericht der 'Washington Post‘.

Irakische Truppen hielten unterdessen mehrere britische und amerikanische Reisende in Hotels in Kuwait-City fest, offenbar um sie später nach Bagdad zu bringen. Bereits am Montag waren mehr als 300 westliche Ausländer aus Kuwait -City nach Bagdad verschleppt worden, darunter auch sieben Deutsche. Das Auswärtige Amt in Bonn teilte am Dienstag mit, die Gruppe dürfe sich frei bewegen und habe sich bereits bei der BRD-Botschaft in Bagdad gemeldet. Aus irakischen Diplomatenkreisen in der jordanischen Hauptstadt Amman verlautete, Bagdad wolle nun den deportierten Ausländern die Ausreise auf dem Landweg über Jordanien ermöglichen. Jordanische Regierungsbeamte fügten hinzu, dieses Angebot gelte auch für Ausländer in dem vom Irak besetzten Kuwait.

Unterdessen gingen in der saudischen Hafenstadt Dschidda am Dienstag die Beratungen des amerikanischen Verteidigungsministers Richard Cheney mit der saudischen Führung über eine Eindämmung der irakischen Herausforderung zu Ende. Cheney versuchte in Dschidda unter anderem, den saudischen Regenten die Zustimmung zur Stationierung amerikanischer Soldaten und Flugzeuge auf ihrem Territorium abzuringen. Anschließend traf Cheney in Kairo mit dem ägyptischen Präsidenten Mubarak zusammen.

In der Türkei sind nach Berichten der amerikanischen Fernsehsender NBC und CBS amerikanische Bomber vom Typ F -111, die normalerweise in Großbritannien stationiert sind, eingetroffen. NBC habe F-111-Bomber auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik, 500 Kilometer vor der Grenze zu Irak, geortet. Bei den F-111-Maschinen handele es sich um denselben Typ, der 1986 für den Angriff auf Libyen verwendet worden war, berichtete NBC. Am heutigen Mittwoch wird sich US-Außenminister Baker in Ankara einfinden, um mit der türkischen Regierung über die Lage am Golf zu beraten. Am Dienstag hatte sich die Türkei „prinzipiell“ bereiterklärt, die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen den Irak anzuwenden. Bisher hatte die Türkei sehr zurückhaltend auf das Drängen vor allem der USA reagiert, die durch ihr Gebiet führende irakische Öl-Pipeline zu sperren.

Parallel zu den diplomatischen und ökonomischen Bemühungen, Irak zu isolieren, verstärken die USA ihre militärische Präsenz in der nahöstlichen Region von derzeit 34 auf 49 Kriegsschiffe. In der 'Washington Post‘ hieß es am Dienstag, an einer möglichen Seeblockade würde sich auch die UdSSR beteiligen.

Ein sowjetischer Zerstörer erreichte am Dienstag den Persischen Golf, wo sich bereits amerikanische und auch britische Kriegsschiffe befinden. Im östlichen Mittelmeer operieren die beiden US-Flugzeugträger „USS Independence“ und „USS Eisenhower“. Zu ihrer Verstärkung sind der Flugzeugträger „Saratoga“ sowie das Schlachtschiff „Wisconsin“ unterwegs. Jeder Flugzeugträger verfügt über 80 bis 90 Kampfflugzeuge.

In Kuwait waren am Dienstag alle Beamten und Beschäftigten in Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen von der irakischen Militär-Exekutive aufgerufen, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Angaben, wieviele Kuwaitis diesem Appell folgten, gab es nicht. Nach Berichten vom Dienstag haben der Irak und das „freie“ Kuwait unterdessen beschlossen, eine einheitliche Währung zu schaffen. Der kuwaitische Dinar wird an den Devisenbörsen seit der Invasion am letzten Donnerstag nicht mehr notiert. An den internationalen Börsen führte die Krise am Golf im Zusammenhang mit den gestiegenen Rohölpreisen zu starken Kurseinbrüchen.

Israel hat Irak mit einem Angriff für den Fall gedroht, daß irakische Truppen jordanischen Boden betreten sollten. „In dem Moment, in dem wir einer solchen Herausforderung gegenüberstehen, werden wir reagieren“, sagte Verteidigungsminister Mosche Arens am Dienstag in einer Parlamentsdebatte in Jerusalem. Der Abgeordnete Mosche Schahal erklärte: „Wenn Saddam Hussein ein Problem mit den Arabern hat, ist das seine Sache.“ Aber wenn sich jemand mit Israel messen wolle, werde sich die Bevölkerung zur Wehr setzen. „Und du, Saddam Hussein, wirst einen Massenmord über dich und dein Volk bringen, denn Israel ist nicht Kuwait.“

Irak und Jordanien, das im Westen an Israel grenzt, haben in den vergangenen Monaten ihre Zusammenarbeit verstärkt. Im Februar vereinbarten sie Verlautbarungen zufolge gemeinsame Manöver der Luftwaffe. Außerdem sollen sie die Aufstellung einer gemeinsamen Armee-Einheit beschlossen haben. Jordanien gehörte auch zu den fünf arabischen Staaten, die sich der Verurteilung der irakischen Invasion durch die Arabische Liga nicht anschlossen.

Die PLO will nach Aussagen ihres ZK-Mitglieds Abdallah Frangi versuchen, in der Golf-Krise zu vermitteln, „damit es nicht zu einer militärischen Intervention des Auslandes kommt“. PLO-Chef Yassir Arafat habe vom irakischen Präsidenten Saddam Hussein das Mandat als Vermittler bekommen, sagte Frangi dem Bonner 'General-Anzeiger‘ in seiner heutigen Ausgabe. Frangi meinte, der Irak werde Saudi -Arabien nicht angreifen. Er glaube, die irakischen Truppen werden Kuwait in einigen Wochen verlassen haben. Auf die Frage, ob die PLO die Marionettenregierung Saddam Husseins in Kuwait toleriere, sagte er: „Wir vermitteln.“

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