: Neu im Cinema:„Die Traumtänzer“ von Bill Forsyth
■ Laß klauen, Kumpel
Schöne Einbrüche hat es in der Filmgeschichte nun wirklich genügend gegeben. Und immer läuft es gleich ab: zuerst die höchst raffinierten und gewinnbringenden Straftaten, bei denen die professionellen Fähigkeiten der Täter so von der Kamera gefeiert werden, daß man mit Gorki fast von der „Poesie der Arbeit“ hierhin bitte den
gealterten Burt Reynolds
sprechen kann. Am Schluß hat dann aber doch immer einer ein Streichholz liegen lassen oder die falsche Frau geküsst, und wir gehen mit dem deprimierenden Gefühl aus dem Kino, daß Kriminalität zwar viel Spaß machen kann, sich aber nicht lohnt!!! Kaum ein anderes Genre ist so vorhersehbar und moralisierend. Nur die sogenannten „buddy movies“ („Kumpel -Filme“) sind vielleicht noch schlimmer: Zwei möglichst merkwürdige und verschiedene Männer mögen sich zuerst gar nicht und lieben sich beim Ende heiß und innig.
„Die Traumtänzer“ ist nun ein „buddy movie“ mit vielen prächtigen Einbrüchen, bei dem allen Konventionen der Genres brav gefolgt wird, und trotzdem ist es ein schöner, witziger Film geworden, bei dem man nie vorhersagen kann, wie es weitergeht.
Denn diesen amerikanischen Spielfilm hat der Schotte Bill Forsyth gegen den gefühlsduseligen Strich gedreht, der in Hollywood gerade wieder Hochkonjunktur hat. Und so sind die altgedienten Klischees plötzlich hochwillkommen: Es ist eine Freude zu sehen, wie Forsyth mit ihnen umspringt. Ihm gelingt es sogar, Burt Reynolds in einer der Hauptrollen zu besetzen, ohne daß ein „Burt Reynolds Film“ dabei herauskommt.
Reynolds ist der alternde Einbrecher Ernie, der bei der nächtlichen Arbeit in einer Villa von dem jungen Luftikus Mike (Casey Siemaszko) überrascht wird; der will sich gerade mit vollem Tablett vor den Ferseher setzten. So treffen sich die Kollegen zum ersten Mal, und Ernie ist schockiert davon, daß Mike statt am Tresor nur am Inhalt des Kühlschranks interessiert ist. Er nimmt den Anfänger unter seine Fittiche und führt ihn in die Wunderwelt von Schneidbrenner und Nitroglyzerin ein, aber von einer wunderbaren Freundschaft kann man bei den beiden kaum reden.
Allzuviel können die beiden mit dem erbeuteten Geld nicht anfangen. Ernie hat sich in seiner langen Karriere ein Häuschen in der Einflugschneise des Flughafens zusammenstibitzt, spielt Poker mit anderen Veteranen und leistet sich hin und wieder eine Nacht mit der schwarzen Prostituierten Delphine. Ernie gibt natürlich sein Geld mit vollen Händen aus, und schon sitzen die beiden in der Patsche.
Neben dem bißchen Kitzel bei den Einbrüchen ist ihr Leben sehr normal und trist. Aber Forsyth kann Tristesse so charmant und sympathisch inszenieren wie kein anderer. Bei „That Sinking Feeling“ war man fast neidisch auf die schottischen Arbeitslosen, und nach „Housekeeping“ wäre man am liebsten auch mit einer verrückten Tante in einem Holzhaus bei den Rocky Mountains aufgewachsen. Diesen „Forsyth Touch“ hat auch „Breaking In“ (so der Originaltitel, der viel besser zu Forsyths Understatement paßt, wie der verblasen romantisierende deutsche Titel). Forsyth gelingt es auch innerhalb eines amerikanischen Genrefilms, von seinem ganz persönlichen Lebensgefühl zu erzählen. Bei ihm ist jeder ein „Local Hero“.
Wilfried Hippen
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