Am Dobben: Dealer wechselten die Straßenseite

■ Nach Räumung „Am Dobben 92“ Drogenverkauf schräg gegenüber / Zweiter Kurde abgeschoben

Am Dobben 66. Eine unauffällige Adresse nahe der Sielwallkreuzung. Im Erdgeschoß des modernen Stadthauses liegen, von der Straße nicht einsehbar mit Fenstern zum Garten die Räume des türkischen Volksvereins. Letzterer machte bisher nur einmal von

sich reden: Als ein junger palästinensischer Flüchtling aus dem Libanon bei einer sinnlosen Messerstecherei sein Leben ließ. Rechts und links neben dem zurückgesetzen Cafehaus, in dem türkische und orientalische Männer bei laufendem Fernseher sitzen, offerie

ren die Schaufenster von „Szene„-Geschäfte ihre Habe: Poster, Tees und Futons.

Größere Bedeutung für die Logistik nicht nur der Ostertor -BewohnerInnen erlangte die Adresse „Am Dobben 66“ seit dem 1. Juni, seit dem Tag, an dem die Polizei mit 20 Beamten schräg gegenüber das überbelegte „Hotel“ für alleinstehende, männliche Asylbewerber „Am Dobben 92“ räumte und bis auf weiteres dicht machte. Spätestens seit diesem 1. Juni gibt es vor dem türkischen Volksverein die Drogen zu kaufen, die vor der Räumung schräg gegenüber vor der überfüllten Asylbewerber-Unterkunft zu kriegen waren.

Mitarbeiterinnen in einem der Geschäfte auf der anderen Straßenseite beobachten das Ambiente tagtäglich. Eine der jungen Frauen: „Wenn es danach geht, will keine mehr vom Fenster weg. Man will ja gar nicht zu der Kundin hin, weil hier alles so spannend ist. Hier können wir wirklich förmlich zugucken. Die verstecken das Heroin da vorne an dem Baum. Früher haben sie es in ein blaues Fahrrad getan.“

Die Geschäftsführerin eines anderen, benachbarten Ladens hat ebenfalls freie Sicht auf den Heroinhandel vor dem Eingang zum türkischen Cafe: „Ich habe der Polizei schon angeboten, sich hier in den Laden zu setzen. Ich

kenne jedes Gesicht. Es sind mehr Kinder als Erwachsene, die dealen, 14, 15jährige. Ich kenne auch die ganzen Autos, in denen sie ihre kleinen Päckchen verstecken.“ Aufgrund der schlechten Geschäftslage im Drogenviertel will sie den Laden aufgeben und einen Räumungsverkauf organisieren. „Ich finde das ganze so traurig, wenn ich diese armen Drogenleute sehe, diese halbtoten Gestalten. Und dann diese lockeren jungen Anmacher. Die zeigen ihren Kameraden das Geld, daß sie gerade verdient haben. Als wäre das alles ein Spiel. Menschenleben sind denen egal.“

Am Dienstagvormittag durchsuchte die Polizei die Räume des türkischen Volksvereins. Binnen 90 Minuten beobachteten die Beamten 23 Heroinabhängige, die vor dem Cafe ihre Verkaufsinteressen signalisierten. Im Polizeibericht heißt es: „Als die Polizei die Vereinsräume durchsuchte, wurden zwanzig türkische Kurden und vier Libanesen angetroffen. Die Polizei fand auch fünf Päckchen Heroin. Unter den festgestellten Personen waren auch ehemalige Bewohner des Hauses Am Dobben 92, das damals von der Polizei geschlossen wurde.“ Die Polizei entließ alle vorläufig festgenommenen Männer wieder, keinem hatte ein Päcken Heroin zugeordnet werden können. Die Polizei prüft jetzt, ob sie die

Ausweichadresse „Am Dobben 66“ ebenfalls schließen kann und soll.

Die Beschäftigten in den umliegenden Läden, die aus Angst vor Rache ihren Namen nicht nennen wollen, haben eine Lösung parat, wie dem Drogenhandel ihrer Meinung nach Einhalt geboten werden könnten: „Alle abschieben.“ Als die Reporterin darauf hinweist, daß andere Dealer an deren Stelle treten werden, weil die Drogensucht weiter bestehen wird, schlägt eine junge Mitarbeiterin vor: „Dann soll Methadon verteilt werden. Ob wir nun die Sozialhilfe für die Asylbewerber bezahlen, die hier dealen, oder ob wir von unseren Steuergeldern Methadon bezahlen. Das bleibt sich egal.“

Der Innensenator hat sich auf's Abschieben kurdischer Drogendealer verlegt: Am Dienstag schob die Polizei zum zweiten Mal einen „türkischen Staatsbürger kurdischer Volkszugehörigkeit“ in die Türkei ab, „da er wiederholt gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen“ habe. Einen Strafprozeß hatten die Behörden auch diesmal nicht abgewartet. Dabei hatte Bremens oberster Drogenfahnder schon im Mai zu langfristigem Denken geraten und gesagt: „Wenn diese Leute ausgewiesen wrden, werden andere an ihre Stelle treten.“

Barbara Debus