Irakisches Giftgas „made in Germany“

Basel (taz) - Fast wie Schulbuben in einer Nachhilfestunde verfolgten die zwei Herren im Juni dieses Jahres aus den hinteren Zuschauerreihen des Mannheimer Landgerichts den Prozeß gegen den Chemie-Unternehmer Jürgen Hippenstiel-Imhausen wegen seiner Beteiligung am Bau der Giftgasfabrik im libyschen Rabta. Es waren Staatsanwälte aus Darmstadt, die sich seit geraumer Zeit mit der Aufklärung deutscher Giftgasgeschäfte mit dem Irak abmühen. Denn auch den dortigen Militärs gingen deutsche Techno-Söldner bei der Entwicklung chemischer Massenvernichtungswaffen willig zur Hand. Im Gegensatz zur Rabta-Affäre haben deren Aktivitäten freilich nie vergleichbare Wellen geworfen; und das, obwohl Saddan Husseins Generäle bereits zweimal Giftgas einsetzen ließen. Schon seit 1987 dümpeln die Ermittlungen gegen mehrere Firmen vor sich hin. Größtes Problem der Strafverfolger: Höchst brisante Sendungen erhielten den Stempel der Behörden. Als Keimzelle des irakischen Giftgas -Programmes gilt das Forschungszentrum Samarra. Bereits im Frühjahr 1984 hatte die 'New York Times‘ von CIA -Erkenntnissen berichtet, wonach die Firma Karl Kolb aus Dreieich bei Frankfurt (Werbeslogan: „Serving mankind by serving science“) und deren Tochterunternehmen Pilot Plant GmbH seit 1981 Laborausrüstungen nach Samarra lieferten. Erst im November 1987 standen Staatsanwälte und Zollfahnder bei der Kolb GmbH und anderen Firmen auf der Matte. Das Kölner Zollkriminalinstitut setzte eine „Sonderkommission Irak“ ein. Weitere Lieferungen der Kolb-Gang waren bekannt geworden: Ein mobiles Toxikologie-Labor (über die Fa. Rhein -Bayern) für den Fronteinsatz, Gastest-Kammern für Samarra (über die Fa. Rhema Labortechnik in Hofheim/Taunus) sowie technische Ausrüstungen für ein großes Militärforschungszentrum - das Projekt SAAD 16 in Mosul.

In Mosul werden die Granaten und Abwurftanks hergestellt, in denen das Gas zum Einsatz kommt. Dort befindet sich auch ein Raketenforschungszentrum. Deutsches Know how steuerten ehemalige MBB-Techniker über ein Netz von gut zwei Dutzend Tarnfirmen. In einer neuen, geheimgehaltenen Chemiefabrik bei Falluja will der Irak ab 1991 Giftgas herstellen. Auch dort sind Deutsche im Geschäft, vor allem die Hamburger Firma Water Engineering Trading GmbH (WET), die ab 1986 eine komplette Chemieanlage lieferte. Gesellschafterinnen der WET sind laut Handelsregister die Ehefrauen zweier damals im Irak-Geschäft tätiger Preussag-Manager. Die Bauarbeiten in Falluja führte Walter Thosti Boswau (WTB) aus. Nach Schätzungen von UNO-Experten verfügt der Irak mittlerweile dank deutscher Hilfe - über die umfangreichsten Kampfgasvorräte der Dritten Welt.

T.S