: Abschlepptänze im Gewitter
■ Orquestra os Jovens do Prenda bei den Heimatklängen vorm Tempodrom
Erkundigungen über afrikanische Bands anzustellen ist nicht immer ganz einfach. Das mußte auch Heimatforscher Borkowsky Akbar einsehen, als er sich um eine angolanische Band für das diesjährige Anti-Apartheid-Festival bemühte. Das seit 1975 unabhängige Angola besitzt dank der konsequenten kubanischen Kulturpolitik keine eigenständige Musikindustrie. Schallplatten von einheimischen Bands sind rar. Um trotz aller Widrigkeiten herauszufinden, welche Gruppe sich lohnend nach Berlin importieren ließe, fragte Borkowsky den Durchschnittsangolaner von der Straße zunächst, welche die drei besten Fußballmannschaften des Landes seien. War die Antwort auf die Testfrage zufriedenstellend, folgte postwendend die Frage nach den drei besten Bands. Alle möglichen wurden genannt, nur das Orchester der Jungen aus Prenda - Orquestra os Jovens do Prenda - tauchte auf fast jeder Prioritätenliste auf. Also lud man sie ein.
Das Orchester von stabilem Big-Band-Format, gegründet schon vor 25 Jahren, zeigt sich seinem Namen verpflichtet durch die Rekrutierung vieler Jungmusiker. Nur einer der drei Gitarristen und einer der Sänger sind seit den Gründungstagen dabei, ansonsten jede Menge junge Gesichter auf der Bühne.
Nach einigen Basteleien an den Verstärkern kann es dann endlich losgehen: 13 Jungen aus Prenda, einem Armenviertel der Hauptsatadt Luanda, bevölkern das Parkett der Kurmuschel. Mit Zählungen tut man sich schwer, die Percussionabteilung mit Congas, Bongos und allem Gerät, auf dem sich trommeln läßt, umfaßt allein schon vier bis fünf Mitarbeiter. Zwei trompeter und ein Saxophonist haben sich am rechten Rand der Bühne zur Gebläsesektion versammelt. Stramm und kräftig produzieren sie Fanfarenklänge, die jeder Popband zur Unterstützung dienen könnten. Die Gitarrenfraktion wiederum hält genüßlich ihre glockenhellen Riffs dagegen. Man bewegt sich vorsichtig auf und ab. Tanzt auf der Stelle, was bei Hitze weniger schweißtreibend wirkt als die ausholenden Beckenschwünge der Ladies im Publikum, die sich mächtig ins Zeug legen, ihre exotischen Abschleppunternehmen zum glücklichen Abschluß zu bringen.
Die Jungs aus Prenda schicken die sich bildenden Pärchen in immer schnellere Tanzkurven, Trommeln und Gitarren forcieren das Tempo, Samba und Bossa Nova schaffen günstige Gelegenheit, sich endlich bei den Händen zu fassen. Alles vermischt sich, die Musiker tauschen die Positionen, einer geht in Ruhe Bier holen, die Jungs lächeln, hat noch irgend jemand irgendwelche Probleme?
Brasilianische Rhythmen, als Folge des Sklavenhandels der portugiesischen Kolonialherren nach Angola reimportiert, paaren sich bei den Jovens neuerlich mit afrikanischen Musiktraditionen und westlichen Popeinflüssen. Das Resultat ist kei ne häßliche Promenadenmischung, kein Bastardsound, sondern eher eine originelle Melange mit Schuß. Wohlschmeckend.
Zumindest, wenn man die erste Lektion der Heimatklänge gelernt hat: Es gibt keine gute oder schlechte Musik, es gibt Musik, nach der man tanzen oder nicht tanzen kann. Bei den Jungs aus Prenda kann man tanzen, und das sogar im heftigsten Gewitterregen.
Andreas Becker
Heute, Samstag, um 21 Uhr 30 spielen die Jovens de Prendo noch einmal vorm Tempodrom, morgen, Sonntag, um 16 Uhr im Garten des Hauses der Kulturen der Welt beim Werkstattkonzert.
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