Erhalt der Polikliniken in der DDR gefordert

■ Aufklärungsabend des Virchow-Bundes in Hellersdorf

Ost-Berlin. „Ein Kind des Teufels“ waren noch vor 30 Jahren ärztliche Gemeinschaftspraxen für die meisten Mediziner in der Bundesrepublik. „Der Weg dahin“, weiß der Vorsitzende des Bundes niedergelassener Ärzte in der Bundesrepublik Dr. Hirschmann aus eigener Erfahrung, „ist auch heute steinig und dornig“. Den Ostberliner Ärzten, die zur Aufklärungsveranstaltung des Virchow-Bundes nach Hellersdorf gekommen waren, war Verunsicherung anzumerken. In der ambulanten Betreuung zu „99,9 Prozent“ in Polikliniken, Ambulatorien und staatlichen Praxen konzentriert, sehen sie sich unweigerlich in die marktwirtschaftlich relevante freie Niederlassung gezwungen. Der Präsident der Ärztekammer West-Berlins, Ellis Huber, sieht dies anders: Mit 4,5 MilliardenDM müsse rechnen, wer das bundesdeutsche Gesundheitssystem unbesehen über die DDR -Polikliniken stülpen wolle. Eine strukturelle Reformierung der Kliniken dagegen wäre mit 2,8 MilliardenDM zu machen, behauptet Huber.

Fein heraus war der Ostberliner Gesundheitsrat Christian Zippel, der einen Entwurf zur Bildung von „Gesundheitszentren“ aus der Tasche zog. Wichtiger Punkt in dem Papier, das „im engsten Expertenkreis“ erarbeitet und bisher den Betroffenen vorenthalten wurde: Alle Ärzte in den Polikliniken müssen Mitglieder der Kassenärtlichen Vereinigung werden können. Diese klärt dann mit den Kassen die Finanzen. Doch dazu muß erst in Ost-Berlin dieses Organ ärztlicher Selbstverwaltung gegründet werden. Soweit die Theorie.

Sie wird von den Problemen an der Basis überwuchert. Der Geschäftsführer einer Poliklinik beklagte, daß die knappen Beiträge der Sozialversicherung nicht ausreichen, um für November und Dezember die Gehälter zu bezahlen. Wer ist Besitzer der Polikliniken? Wie sollen sich die Ärzte gegen überhöhte Mietforderungen wehren? 20DM je Quadratmeter sind in Westberlin die Schmerzgrenze. In Marzahn forderte die ehemalige Kommunale Wohnungsverwaltung, jetzt Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 40DM. Dem anwesenden Vertreter des DDR-Gesundheitsministeriums warfen die aufgebrachten Ärzte vor, zu wenig die Vorstellung der Basis einzubeziehen. Aus dem Hause Kleditzsch kämen nur dünne Informationen. Dem Mangel an Informationen über Gesetze und Konzeptionen, die „oben“ ausgebrütet werden, konnte an diesem Abend nur teilweise abgeholfen werden.

Irina Grabowski