: Sich heraushalten geht nicht
■ Über die Weltfriedensverantwortung Deutschlands angesichts der Nahostkrise
Der Einmarsch von Husseins Truppen nach Kuwait und die anschließende Annexion verstößt gegen Völkerrecht. Der Vergleich von US-Präsident Bush mit der Krisen- und Eskalationssituation in Deutschland und Europa von 1938 ist zutreffend. Die internationale Völkergemeinschaft muß in einer gemeinsamen Initiative Saddam Hussein jetzt zum Rückzug und zur Wiederherstellung der Souveränität des Staates Kuwait zwingen. Jeder Zeitgewinn für Hussein öffnet den Weg zu weiteren Aggressionen - zunächst gegen Saudi -Arabien, aber - unmittelbar damit verbunden - gegen Israel. Deutsche Politik in dieser Situation muß sich an folgenden Punkten orientieren:
1. Die gemeinsame Haltung der Sowjetunion und der USA in diesem Konflikt schafft die Gelegenheit, eine internationale „Weltpolizei“ zu etablieren, die in Zukunft wirksam in den Weltfrieden gefährdende Konflikte eingreifen kann. Ein solches Eingreifen muß in erster Linie mit politischem Druck erfolgen, trotzdem darf Zweifel nicht aufkommen, daß den politischen Forderungen (so defensiv als irgend denkbar) militärisch Nachdruck verliehen wird.
2. Die gegenwärtige Krise in Nahost ist friedensgefährdend für die ganze Welt. Sie kann den schon so lang schwelenden Nahostkonflikt, sowohl um das Öl als auch um die Zukunft Israels, zum Explodieren bringen. Auch die innerarabische Zuspitzung der Auseinandersetzung um Fundamentalismus, Diktaturen und Gesellschaftsstrukturen der arabischen Länder wird durch diesen Konflikt eher verschärft als entspannt. Eine innerarabische Lösung, die Hussein allein zu einem Rückzug zwingen würde, wäre selbstverständlich einer internationalen Konfliktregelung vorzuziehen, aber kaum denkbar. Die Internationalisierung des Konflikts ist deshalb ein Muß. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sollte die politische Führung und auch die militärischen Maßnahmen beschließen und verantworten.
3. Die Beteiligung der BRD mit eigenen Truppen sollte als souverän verfügbarer, nationaler, direkter militärischer Beitrag in keinem denkbaren Konflikt erwogen werden. Die logistische Unterstützung allerdings und andere praktische Hilfsmaßnahmen dürfen nicht ausgeschlossen sein.
Die Reduzierung der deutschen Reaktion auf einen totalen Wirtschaftsboykott muß nach allen Erfahrungen scheitern, weil er ein höheres Maß an gemeinsamer Handlungsbereitschaft und gegenseitiger Verpflichtung voraussetzt als tatsächlich existiert. Die Befürchtung, der militärische Eingriff der internationalen Truppen in Nahost bringe nur alle Fundamentalisten Arabiens in einen Schützengraben gegen den Rest der Welt, ist nicht von der Hand zu weisen, im Kern aber ist das ein Hilfsargument, um der neuen Weltfriedensverantwortung Deutschlands am Ende doch auszuweichen.
4. Hauptskandal ist, daß es die bundesrepublikanische Industrie gewesen ist, die Saddam Hussein mit Waffen und Technologie (Giftgas) versorgt hat. Alle Bundesregierungen haben wider besseres Wissen diese Waffenexporte nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert. Jegliche Rüstungsexporte in den Nahen Osten müssen sofort eingestellt werden. Darüber hinaus ist über den Irak zusätzlich ein Wirtschaftsboykott zu verhängen, der von den jetzt dort internationalisierten Truppen auch durchgesetzt werden muß. Sicher ist, daß bloßer Antiamerikanismus in dieser Situation nichts anderes bedeutet, als die aggressive Politik Husseins zu akzeptieren. Das ist letztlich friedensgefährdend.
Udo Knapp
Die Autoren beider Gastkommentare sind Mitarbeiter der Fraktion Die Grünen im Deutschen Bundestag.
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