: Peru unter dem „Fuji-Schock“
■ Die Straßen sind leer, die Kirchen voll: Mit Panzern und Gebeten beginnt die Wirtschaftssanierung / Tote bei Protesten / Quayle besucht Lima / USA bieten Militärhilfe im Drogenkrieg an
Lima/Berlin (ap/taz) - Die Geschäfte sind geschlossen, die Busse fahren nicht mehr, auf den menschenleeren Straßen rollen Panzer: in Lima herrscht der Ausnahmezustand. Nicht wegen der sonst beschworenen „Terroristengefahr“, sondern weil die Wirtschaft saniert wird, kontrolliert das Militär die Hauptstadt Perus. Unter dem Eindruck des Schockprogramms der neuen Regierung ist das Land wie gelähmt. Benzin wird um 3.000 Prozent teurer, der Milchpreis hat sich verzehnfacht, andere Grundnahrungsmittel wurden über Nacht bis zu sechsmal teurer. „Was soll ich essen? Was soll ich meinen Kindern zu essen geben?“ fragt eine verzweifelte Frau vor den heruntergelassenen Gittern des Marktes in einem Armenviertel Limas.
Da Fujimori mit dem Versprechen gewählt wurde, die Armen zu schonen, sind die etappenweise am Dienstag und Mittwoch bekanntgewordenen Maßnahmen ein doppelt harter Schlag. Um die allgemeine Liberalisierung der Preise und die dadurch bewirkten massiven Preisanhebungen zu kompensieren, zahlt der Staat seinen Angestellten zwar einen zusätzlichen Monatslohn, eine automatische Anpassung der Gehälter an steigende Preise wird es jedoch nicht geben. Alle Importkontrollen werden abgeschafft. Die Landeswährung Inti wird freigegeben. Eine einmalige „Solidaritätssteuer“ wird auf persönlichen Reichtum erhoben. Für das zugesagte Wohlfahrtsprogramm in Höhe von 450 Millionen US-Dollar reicht dies aber nicht aus. Wo das Geld dafür letztendlich herkommen soll, weiß auch die Regierung noch nicht.
Da hilft nur noch Beten. Unter den Tausenden, die seit Dienstag die Kirchen füllen und für Gottes Hilfe bei der Überwindung der Krise beten, befand sich auch Ministerpräsident Miller. Vor der Kirchtür herrscht die Armee: bislang wurden drei Menschen bei Plünderungen erschossen. Die parlamentarische Linke nannte die Regierungsmaßnahmen „unmoralisch“ und verlangte ein Konzept zur Sicherung der Realeinkommen. Gegenwärtig verdoppeln sich die Preise durchschnittlich alle fünf Tage.
Der „Fuji-Schock“, wie ihn die Presse in Lima bezeichnete, wurde verkündet, während sich US-Vizepräsident Dan Quayle zu einem Besuch in Lima aufhielt. Bei seinen Gesprächen mit Präsident Fujimori ging es vor allem um Perus lukrativstes Exportgut, welches die USA am liebsten vom Erdboden auslöschen würde: Koka-Blätter. Peru ist der größte Kokaproduzent Südamerikas. Fujimori verlangt von den USA die Finanzierung eines Konversionsprogrammes, das den Kokabauern die Umstellung auf weniger einträgliche Produkte ermöglichen soll. Quayle brachte stattdessen ein militärisches Hilfsangebot in Höhe von 36 Millionen Dollar mit. „Wir haben keine Pläne für Militäroperationen im Krieg gegen Drogen“, erklärte er Journalisten, die wissen wollten, wofür dieses Geld gut sei. „Ich möchte die Idee einer Militarisierung dieses Krieges auslöschen.“ Trotzdem wollte er, daß Fujimori die Militärhilfe akzeptiert. Dieser ziert sich noch: es soll nämlich zur Bezahlung amerikanischer Militärberater dienen. Wie Peru den Ausfall der jährlich eine Milliarde Dollar verkraften soll, die es im Kokageschäft verdient - diese Frage beantwortete Quayle nicht.
D.J.
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