: Spätzünderin mit Turbo-Lader
■ Von der „Mitläuferin“ zur Favoritin: Karin Janke aus Wolfsburg gewann überraschend den 400-Meter-Titel bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Düsseldorf
Düsseldorf (taz) - Still und verhalten gibt sich Karin Janke, die neue 400-Meter-Meisterin, gegenüber der Presse. Ganz anders sah man sie zuvor auf der Laufbahn: Am zweiten Tag der 90. Deutschen (letzmalig bundesdeutchen) Leichtathletik-Meisterschaften im mit 8.000 Zuschauern spärlich besetzten Düsseldorfer Rheinstadion war sie es, die die Kulisse wach gerüttelt und die bis dahin vorherrschende Langeweile und Mittelmäßigkeit gesprengt hatte.
Karin Janke, eine Spezialistin über die lange Sprintstrecke, rannte los wie Luzifer. Nach 200 Metern hatte sie bereits 15 Meter auf die Hallenweltmeisterin Helga Arendt herausgelaufen. Auch auf der Schlußgeraden hielt die 26jährige Studentin Helga Arendt in Schach und verbesserte gar ihre persönliche Bestzeit auf beachtliche 50,65 Sekunden - momentan die fünftbeste Marke in Europa.
Katrin Janke ist sportlich eine Spätzünderin. Bisher war sie eine eher unauffällige „Mitläuferin“. Ihre Olympiateilnahme 1988, wo sie allerdings nicht starten durfte („Eine meiner größten Enttäuschungen“), war ihr bisheriger Karrierehöhepunkt.
Ihr neues Rezept für 1990: „Ich habe mich konsequent auf das Europameisterschaftsjahr vorbereitet, mehr Tempoläufe gemacht als früher“, mehr an Erfolgsgeheimnis war der 1,78 Meter großen blonden Viertelmeilerin kaum zu entlocken. Daß sie erst im fortgeschrittenen Spitzensportalter diese Leistungssteigerung realisiert hat, die auf diesem Niveau einer „halben Welt“ gleichkommt, führt sie auf den „bewußt langsamen Aufbau“ ihres Trainers Werner Morawiets zurück.
Karin Janke, die in der 4x100-Meter-Staffel mit Wolfsburg noch zu einem zweiten Titel kam, hat eine vielseitige sportliche Grundausbildung. Bis 16 hat sie vor allem geturnt. Dannach tastete sie sich an die Leichtathletik heran. Aber „nur ein- bis dreimal die Woche“ - ganz nach dem Lustprinzip.
„Erst seit 1987 betreibe ich diese Sportart ernsthaft“, erläutert die Lehramtsstudentin im zwölften Semester (Sport, Chemie und Biologie), die im Mai eben noch schnell ihre Examensarbeit fertiggestellt hat.
Mit ihren jetzt so hoffnungsvollen Aussichten bei der EM in Split vom 27.August bis 1.September will sie sich, auch um dem Erwartungsdruck auszuweichen, „noch nicht beschäftigen“.
Ähnlich ergeht es ihrem männlichen Pendant: Der Wattenscheider Norbert Dobeleit, der sich seit dem letzten Jahr wie Karin Janke „der international besseren Chancen wegen“ voll auf die Stadionrunde konzentriert, gehört nach seinem überlegenen Düsseldorfer Thriumph ebenso zu den Medaillenkanditdaten für Split.
Wegen des starken Gegenwinds von 1,4 Meter pro Sekunde konnte das mit großer Spannung erwartete 110-Meter -Hürdenduell zwischen Titelverteidiger Dietmar Koszewski und Rekordhalter Florian Schwarthoff nicht zum Höhepunkt der Veranstaltung werden. Gleichauf stürmten die beiden dem Ziel entgegen. Schwarthoff gewann harrscharf mit 13,45 Sekunden, fünf Hundertstel vor Koszewski.
„Ich bin sicher, daß der Rekord (13,37) in diesem Jahr noch fällig ist. Um 13,20 kann ich bestimmt laufen“, tönte Schwarthoff hinterher frohgemut. Und schon freuen wir uns drauf...
Karl-Wilhelm Götte
Männer: 100 Meter: Klein 10,47 Sek.; 400 Meter: Dobeleit 45,22 Sek.; 1.500 Meter: Rüter 3:40,43 Min.; 20 km Gehen: Ihly 1:25:19 Std.; 10.000 Meter: Stenzel 28:59,92 Min; 110 Meter Hürden: Schwarthoff 13,45 Sek.; Diskus: Schmidt 66,12 Meter; Dreisprung: Jaros 16,97 Meter; 4x100 Meter: TV Wattenscheid (Schulte, Schweisfurth, Dobeleit, Zaske) 39,62 Sek.; 20 km Gehen: Berliner SV I; Stabhochsprung: Zintl 5,50 Meter.
Frauen: 100 Meter: Sarvari 11,32 Sek.; 10.000 m: Preßler 32:27,51 Min.; Weitsprung: Bartschat 6,45 Meter; Speerwerfen: Graune 63,58 Meter; 1.500 Meter: Michallek 4:17,74 Min.; 400 m: Janke 50,64 Sek.; 100 Meter Hürden: Lippe 12,82 Sek.; Hochsprung: Hhenkel 1,98 Meter; 4x100 Meter: VfL Wolfsburg (Leinemann, Janke, Hagen, Rohmann) 44,70 Sek.; Diskus: Kreutel 63,96 Meter.
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