: Ein tiefer Riß zieht sich durch die arabische Welt
■ Mehrheit der Arabischen Liga schickt multinationale Truppe nach Saudi-Arabien / Proteste in Jordanien, Jemen und den besetzten Gebieten / 40.000 Freiwillige für Irak
Kairo/Amman/Teheran (dpa/afp/taz) - Nach dem Sondergipfel von Kairo ist der Riß durch die arabische Welt tiefer geworden. Der mit knapper Mehrheit von zwölf der zwanzig anwesenden Ländervertretern gefaßte Beschluß zur Aufstellung einer multinationalen Sondertruppe zum Schutz Saudi-Arabiens vor einer möglichen Invasion des Irak stieß hauptsächlich bei Palästinensern, in Jordanien und Libyen auf Protest. Die ersten ägyptischen Einheiten der Truppe, die insgesamt 10.000 Mann ägyptischer, marokkanischer und syrischer Nationalität umfassen soll, sind inzwischen in Saudi-Arabien eingetroffen. Der Irak bezichtigte die Führer Ägyptens, Saudi-Arabiens und der Scheichtümer am Persischen Golf der „Aggression“. In Jordanien sollen sich inzwischen 40.000 Freiwillige zur Unterstützung des Irak gemeldet haben.
Die Mehrheit der 20 Gipfelteilnehmer hatte den Irak wegen seines Überfalls auf Kuwait verurteilt und die Wiedereinsetzung des geflüchteten Emirs von Kuwait verlangt. Für die Schlußdeklaration stimmten Ägypten, Saudi-Arabien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Libanon, Bahrain, Syrien, Marokko, Somalia, Oman und Dschibuti. Libyen, die PLO und der Irak lehnten sie ab, während Bagdads Verbündeter Jordanien sowie Algerien, der Jemen, Sudan und Mauretanien sich der Stimme enthielten. Tunesien hatte an dem Gipfel nicht teilgenommen. Dessen Beschlüsse sind nach der Liga-Charta nur für Staaten bindend, die sie befürworteten.
Der ägyptische Präsident Mubarak glaubt nicht an eine friedliche Beilegung der Konflikte. Auf eine entsprechende Frage antwortete er: „Ich möchte Ihnen ehrlich sagen - und denken Sie daran, daß ich immer Optimist bin -, daß es dafür keine Hoffnung gibt.“ Die PLO und Jemen hätten vorgeschlagen, daß mehrere arabische Politiker, darunter auch er selbst, nach Bagdad reisen sollten, um mit Saddam Hussein zu sprechen. „Ich weigere mich, nach Bagdad zu gehen, weil ich das Ergebnis schon im voraus kenne. Ich habe die genannten Leute gefragt, ob sie als Vermittler nach Bagdad gehen wollten, aber keiner von ihnen hat geantwortet, und kein einziger wollte freiwillig gehen“, sagte Mubarak.
Die Führung des Palästinenser-Aufstandes in den israelisch besetzten Gebieten hat sich offen für die Unterstützung Saddam Husseins ausgesprochen. Er „verteidigt die Rechte der Palästinenser“, hieß es in einem Flugblatt. Es kam auf der gesamten Westbank und an verschiedenen Orten im Gaza -Streifen zu Demonstrationen für Saddam Hussein. Die Teilnehmer lehnten gleichzeitig die Kairoer Resolution ab. Sie beschuldigten die Führer Ägyptens, Marokkos und Saudi -Arabiens, durch ihre Politik den US-Kriegsvorbereitungen gegen den Irak die politische Legitimation zu verleihen. In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa protestierten Tausende von Menschen vor den Botschaften Saudi-Arabiens, Ägyptens und den USA.
Die proirakischen Stellungnahmen aus Jordanien und den besetzten Gebieten Israels sind nicht als uneingeschränkte Billigung der Politik Saddam Husseins zu begreifen. „Wir lehnen das irakische Regime vielleicht ab, weil es undemokratisch ist“, sagte Professor Mustafa Harmaneh vom Organisationskomitee, das die jordanischen Freiwilligen für den Irak registriert. „Aber wir akzeptieren es nicht, uns einer neuen kolonialen Macht zu unterwerfen.“ Der vereinigte Widerstand gegen die Amerikaner könne „eine historische Gelegenheit für die arabische Wiedergeburt“ werden. Ähnlich die Reaktion bei Palästinensern in Israel: „Ich glaube nicht, daß Arafat für Saddam gestimmt hätte, wenn es einen israelisch-palästinensischen Dialog in Kairo gäbe,“ meinte der Verleger der Tageszeitung 'Al Kuds‘, Mohammed Abu Sukluf. „Aber warum sollten wir eine Okkupation kritisieren, wenn sich niemand um die israelische Besatzung hier schert?“
Die Sprache verschlagen hat es der iranischen Führung. Nachdem sich Iraks Präsident Saddam Hussein in seiner Rede am Freitag für den Heiligen Krieg auch noch die Parolen angeeignet hat, mit denen das Land acht Jahre lang von Iran bekämpft worden war, können sie sich einer widerwilligen Bewunderung für den ehemaligen Kriegsgegner Hussein nicht ganz verschließen.
Offiziell hält sich der Iran in der Krise weiterhin zurück. Teheran verurteilt die irakische Besetzung Kuwaits als „unannehmbar“. Zeitungsberichte sprechen vom „Frankenstein -Monster von Bagdad“ und dessen „gefährlichem Abenteurertum“. Aber der Aufruf Saddam Husseins zum „Heiligen Krieg“ gilt als „außerordentlicher Schlag. Er versucht, uns glauben zu machen, daß er die Träume des Imam (Chomeini) in die Tat umsetzt, und schaltet damit Iran praktisch aus diesem Golfkonflikt aus“, analysiert ein enger Vertrauter des iranischen Präsidenten Rafsandschani.
Beobachter in Teheran gehen davon aus, daß Hussein sich das Schweigen Teherans zu seiner Aggression geschickt erkauft hat. Als er im April mit einem Brief an den iranischen Präsidenten zwei Jahre nach dem Waffenstillstand im Golfkrieg den Friedensprozeß zwischen beiden Ländern einleitete, habe er, so vermuten sie, den Überfall auf das Emirat bereits im Auge gehabt.
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