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500 Jahre Kolonisierung

■ Konferenz der Urbevölkerung plant alternative „Feier“ für 1992

Tromsö (taz) - Wenn die „weiße Welt“ 1992 das 500jährige Jubiläum der Entdeckung Amerikas begeht, soll eine alternative „Feier“ einen anderen Akzent setzen: 500 Jahre Kolonisierung und Unterdrückung der Urbevölkerung. Das wurde auf der 7. Konferenz des „Weltrats der Urbevölkerung“ (WCIP) im nordnorwegischen Tromsö beschlossen. Der WCIP repräsentiert 60 Millionen Menschen, die sich den Urvölkern zurechnen. An der Konferenz, die am Sonntag zu Ende ging, nahmen knapp 500 Personen aus 87 Delegationen teil.

„Für uns hat die sogenannte Entdeckung Amerikas nur Leid und Elend bedeutet“, so der mexikanische Indianerdelegierte Jenaro Dominguez. „Es ist grotesk, diese angebliche Entdeckung zu feiern.“ Daher soll 1992 die Geschichte von Kolonisation und Völkermord in Erinnerung gerufen werden.

Beherrschendes Thema der Konferenz war jedoch der Kampf der kanadischen Mohawks gegen den Bau eines Golfplatzes auf einem heiligen Indianer-Begräbnisplatz (die taz berichtete). Angesichts dieser aktuellen Ereignisse traten die geplanten Konferenzschwerpunkte - Schutz der Umwelt, Gesundheitsfragen, Kampf für Anerkennung der Rechte der Urvölker - in den Hintergrund. Am Freitag fand jedoch eine Demonstration gegen die Vernichtung der Regenwälder am Amazonas, die Zerstörung der Umwelt durch die Ölsuche in Kanada und die drohenden Auswirkungen der Atombomben -Versuche auf Nowaja-Semlija statt.

„Die Urvölker haben immer mit, nicht gegen die Natur gelebt“, sagte Maret Sara, die Leiterin der samischen Frauenorganisation. „Trotzdem sind es gerade diese Völker, die als erstes von den Umweltzerstörungen betroffen werden. Auf unserer Welt sind es andere, die von uns etwas über den schonenden Umgang mit der Natur lernen müssen.“ Maret Sara war auch Koordinatorin einer Konferenz von Urbevölkerungs -Frauen. Diese, der Tromsö-Konferenz vorgeschaltet, fand aus Protest gegen den männerdomonierten WCIP statt, der es in seiner 15jährigen Geschichte nicht geschafft hat, einen der acht Vorstandsposten mit einer Frau zu besetzen.

Auf der Frauen-Konferenz in Karasjok, einem Zentrum der samischen Bevölkerung in Norwegen, berichteten etwa 100 Frauen aus verschiedenen Volksgruppen von speziell gegen sie gerichteten brutalen Unterdrückungsmaßnahmen und den Beschneidungen grundlegender Menschenrechte. „Ein Naturvolk muß für seine Existenz als Volk kämpfen. Andere Völker werden einem starken kulturellen und sprachlichen Druck ausgesetzt“, sagte Maret Sara. „Unsere gemeinsame Basis ist der Respekt vor der Natur. Die Frauen waren bisher der so gut wie unsichtbare Teil der Urbevölkerung. Nun wollen wir für die ganze Welt sichtbar werden. Wir haben viel zu erzählen und wichtige Werte zu vermitteln.“ Die Frauen gründeten in Karasjok ihre eigene Organisation. Sie sieht sich nicht als Konkurrenz zum WCIP, sondern als Ergänzung aber auch als Versuch, den WCIP zu ändern.

Kritik am WCIP artikulierten nicht nur die Frauen. Die hawaiische Delegation warf ihm Korruption vor und erklärte ihren Austritt. Der WCIP habe die Organisationsformen des „weißen Mannes“, sagte ein Inuit-Delegierter. Er sei ineffektiv und zu einem Intrigenkarussel amerikanischer Indianerstämme verkommen, beklagte die Delegation der norwegischen Samen. Der WCIP spricht seltsamerweise auch die Sprachen der Kolonisation: Die Konferenzsprachen waren Englisch und Spanisch.

Reinhard Wolff

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