: Momper will kein Börner sein
■ Die Spaltung des rot-grünen Bündnisses in West-Berlin findet - noch? - nicht statt. Der „Regierende“ unterbrach zwar höchst spektakulär am Wochenende seinen Urlaub, um zur Krisensitzung nach Berlin zu eilen. Doch dort hielt die Partei ihren Spitzenmann auf Kurs rot-grün. Vor der Presse zeigte Momper dann überraschend „Verständnis“ für die Entsorgungs-Sorgen seiner Umweltsenatorin. Doch ihre rote Karte für den HMI-Reaktor will er „überprüfen“.
Rot-grüne Pirouetten um Berliner Hahn-Meitner-Reaktor
Der rasche Bruch der labilen rot-grünen Koalition in Berlin wurde gestern wieder einmal abgewendet, ist aber noch nicht ausgeschlossen: Nach den harschen Reaktionen der SPD -Senatsspitze vom Wochenende auf die rote Karte von AL -Umweltsenatorin Schreyer für den Hahn-Meitner-Reaktor, versuchte der Regierende Bürgermeister Momper gestern den Konflikt herunterzuspielen.
Der Regierungschef war eigens von seinem Urlaub auf der Insel Rügen nach Berlin zurückgekehrt, um vor den heutigen Beratungen von SPD-Parteivorstand und Fraktion vor die Presse zu treten. Zwar wurde die widerspenstige Umweltsenatorin für ihre schnelle Entscheidung gerügt; Momper will seiner Fraktion aber empfehlen, einen Mißtrauensantrag der CDU gegen Schreyer nicht zu unterstützen. Die Möglichkeit, die Koalition auf parlamentarischem Wege zu beenden, ist damit so gut wie ausgeschlossen.
Offen bleibt allerdings der Weg, Schreyer via Senatsvorlage die Atomaufsicht zu entziehen und dann das Genehmigungsverfahren erneut aufzurollen. Sämtliche Akten des Bescheids liegen jetzt in der Senatskanzlei und sollen dort noch einmal überprüft werden. Sinn dieser Übung, so Momper, sei es, festzustellen, ob die Entscheidung Schreyers juristisch einwandfrei ist und ob sie der Anforderung der Rechtseinheit mit dem Bund tatsächlich gerecht wird. „Sollten alle diese Überprüfungen ergeben, daß der Bescheid wasserdicht ist, hat das HMI die Möglichkeit, auf dem Klageweg gegen den Bescheid vorzugehen.“
Auf die entscheidende Frage, was passiert, wenn der Bescheid nach Ansicht der Senatskanzlei nicht „wasserdicht“ ist, antwortete Momper auch auf mehrmalige Nachfrage nur ausweichend. „Es wäre der Genehmigungsbehörde nicht zuzumuten, ihren eigenen Bescheid zu korrigieren“, orakelte der Regierende, und es sei auch nicht abzusehen, wie lange die Aktenprüfung dauern werde.
Trotz der aufgeregten Stimmung im Schöneberger Rathaus versuchte Momper insgesamt abzuwiegeln: „Der Konflikt um das HMI ist ein begrenzter Konflikt um unterschiedliche Rechtsauffassungen in einem konkreten Genehmigungsverfahren“, und er könne auch die Besorgnisse von Frau Schreyer hinsichtlich der Entsorgungsfrage gut verstehen - auch wenn man unterschiedlicher Auffassung sei. Mompers Kontrahentin hatte auf einer eigenen Pressekonferenz - dieses Ritual des getrennten Auftritts bei strittigen Senatsentscheidungen ist mittlerweile fester Bestandteil der rot-grünen „politischen Kultur“ - am Vormittag erklärt, sie denke nicht daran, zurückzutreten. Auch dann nicht, wenn das langwierige Verfahren der Ressortbeschneidung eingeleitet werden sollte.
Kordula Doerfler
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