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Alte Steine

Jeder, sagt C., den er fragte, gehste mit zu den Rolling Stones, sagt nee, aber grüß mir Mick. Jeder? Naja, er hat nur zwei gefragt. An der Straßenbahnhaltestelle wäre er dann beinahe noch umgekehrt, als drei langhaarige Posthippiemädchen sich ausgerechnet von ihm den Weg in einen Jugendclub beschreiben lassen, wo er doch erst einmal dort war. Aber einer seiner Kumpel meint, die findste gut? Die mit den dreckigen Unterhosen? Und ich muß mich doch sehr wundern. Nein, sagt mein Begleiter, der ist aus dem Westen. C. verlieren wir dann an einer himmelblau bemalten Gulaschkanone am Eingang, wo es Linsensuppe gibt zum alten Preis von 1,75 plus einmärkiger Wiener. Das ist dann sozusagen der Tiefausläufer der Freß- und Saufstraße, in die uns der Straßenbahnschaffner freundlicherweise eingewiesen hat. Überhaupt sind überall persönliche Wegweiser, dienstliche und außerdienstliche. Stehen wir doch nur einen Moment unschlüssig rum, da werden wir gleich von zwei Feierabendbäckern aufgefordert, den Stones in die S-Bahn zu folgen. Ich werde auch den schweren Verdacht nicht los, Mick und seine Bande sind wirklich schon als Blumenkorso oder ähnliches, von Tausenden Jubelnder gesäumt, durch die Straße zum Stadion prozessiert, so ist sie präpariert mit hochmotivierten Händlern. Hinter ihren weißbetuchten Tischchen voll Dosennahrung strahlen sie uns an, glückliche Preismacher. Nie war es schöner, ein eisgekühltes Schulli, einen großformatig aufgemachten Apfelsaft, eine private Bratwurst, ein original tschechisches Bier oder eine runtergesetzte Wunderkerze zu erwerben. Nur der gemeine Kartenspekulant - siebzig Märker will er - bleibt einsam am Zaun sitzen. Auf den Transformatorenhäuschen stehen wie Kerzen die Trinkbehälter feierlich aufgereiht, aus den Weißenseer Wohnstuben fensterln zutraulich die Kinder. Und da ist sogar ein Büffet am Bürgersteig, das wie sein Herstellerpaar die Siebziger wiederbelebt. Das Private ist politisch, ein Brötchen kostet aber jetzt vier Mark. Auch das Fummeln, wie anno dunnemals, zum Beispiel vom Bodycheck-Hünen am Eingang. Durch märkische Sandpfützen tapsen wir durch den Pulk, Kilometer vor uns das lichterglänzende Baugerüst, das wohl neudeutsch -amerikanische Freundschaft symbolisieren soll. Jedenfalls hab‘ ich das Gefühl, gleich kommt Raumpatrouille Orion oder ein Sandmännchen aus Hollywood. Aber schön ist es doch, man hört nur nicht wie. Am schönsten ist das Feuerwerk zum Schluß, direkt über uns und alles auf einmal. Und auf dem Heimweg kaufen wir uns noch ein rauchgeschwängertes Schwarzweißposter von Keith Richard, um es übers Bett zu hängen.

doroh

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