: Schwarzmalende Kritiker
■ betr.: "Die Unendlichkeit in der Farbe ..." taz vom 1.8.90
LESERiNNENBRIEFE
Betr.: „Die Unendlichkeit in der Farbe ...“ (bei Gudrun Kühne und Nicola Müller),
taz vom 1.8.90 (La vie)
Aufschlag im eigenen Feld oder Ausstellungen sind manchmal besser, als der Kritiker uns schwarzmalen will.
Volker Handloik wurde in die derzeitige Ausstellung der „Galerie am Prater“ geschubst. Was er sah, quetschte ihn an die Bilder: „Premierenpublikum“, „Boutillen Henkel Trocken“ und das „Tete-a-tete der Einheimischen unter der Dorflinde“. Aber die Pflicht, sprich: die taz rief, und Volker Handloik klemmte sich noch schnell ein Faltblatt unter den Arm, eilte nach Hause, bündelte seine Vorurteile und schrieb:
„Nachdem das zornige Volk der DDR seine Peiniger ...“ bis „... schön ist es nicht, aber Kunst dennoch“ - alles in einem Atemzug. Kurz gesagt, er nahm in die Hand den groben Verrißpinsel. Stilistisch besteht der Text aus einem prosaischen Wortgeklingel. Es kündigt sich strukturell an, wie ein 300-Teile-Puzzle. Der Autor weist forsch auf drei zusammenhängende Teile.
So aufgelegt, konnte er nicht die Kriterien des Galeriekonzepts erfassen. Diese bedurften nämlich auch nach dem „energischen Ruck“ keiner Wendung. Gerade die regelmäßige Vorstellung Berliner KünstlerInnen gab dem/der Neugierigen die Chance, individuelle oder tendenzielle Vorgänge innerhalb einer Kunstlandschaft kennenzulernen. Die Galerie taute den Begriff „Berliner Schule“ auf.
Am Anfang des Textes ist der Rezensent nur allzugern bereit, dem „energischen Ruck des Volkes“ mit Pathos zu applaudieren. Im zweiten Satz trennt er bereits die vermeintliche Spreu vom Weizen in Wir - Volk und Ich Volker. Da heißt es dann: Volk, bleib in deinem Zirkel.
„Gudrun (Kühne) und Nicola (Müller) (...) unterscheiden sich höchst winziglich voneinander, lassen (...) keinerlei Spannung zueinander vermerken, haben auch innerhalb ihrer Blätter keinerlei Vita, Prozeß oder Dynamik aufzuzeigen.“ Wie er versichert, gab es nur keinerlei, keinerlei. Dafür schien er mir in der Nische des Geistes von Wolfgang Willrich („Säuberung des Kunsttempels“) beheimatet, indem er kurzerhand die einzige, leider vom Text eingekeilte Abbildung („Porträt“) als „Großäugige Schönheit von Nicola Müller“ eigenhändig untertitelte.
Volker Handloik nahm nicht ernst. Die Art und Weise läßt den Enthärter „Über Geschmack kann man nicht streiten“ nicht zu. Sein Aufschlag landete im eigenen Feld.
Thomas Kumlehn, Berlin 1020
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