: „Die USA sind zu weit gegangen“
■ Washington zieht die Blockade um den Irak enger / Nur Großbritannien bisher dabei / Bush unterbricht Urlaub / Cheney in Riad / Irakische Soldaten desertieren - im Panzer
Washington/Nikosia (afp/ap/dpa) - Der Nervenkrieg zwischen Irak und den USA ist am Montag in eine neue Phase getreten. Ein irakischer Tanker konnte im saudischen Verladehafen Janbu keine Ladung aufnehmen, und nach Angaben von US-Regierungssprecher Marlin Fitzwater sind zwei oder drei andere für Irak bestimmte Schiffe angesichts der von den USA angeführten Blockademaßnahmen auf hoher See umgekehrt. Bisher seien die ergriffenen Maßnahmen als erfolgreich einzustufen.
Jordanien bestätigte unterdessen, daß es die vom UN -Sicherheitsrat gegen den Irak verhängten Sanktionen noch nicht befolge. Aus Amman war zu hören, die Entscheidung des Sicherheitsrates sei zwar verbindlich, doch könne jedes Land, das davon über Gebühr hart betroffen ist, in Konsultationen mit dem Sicherheitsrat überprüfen, ob es alle Maßnahmen mittragen müsse.
US-Präsident George Bush, der seinen Urlaub für zwei Tage unterbrach, bat unterdessen den japanischen Ministerpräsidenten Toshiki Kaifu um Wirtschaftshilfe für die von den UN-Sanktionen am härtesten betroffenen Länder im Nahen Osten.
Außerdem beorderte Bush Verteidigungsminister Richard Cheney erneut in das Krisengebiet. Cheney wird dort am Freitag die US-Truppen inspizieren und sich mit der saudi -arabischen Führung beraten.
Entschlossen verteidigten die USA ihre Entscheidung, den Irak auch von Lebensmittellieferungen abzuschneiden. Lediglich medizinische Güter sind davon ausgenommen. Notfalls wollen die USA die UN-Sanktionen mit militärischer Gewalt durchsetzen. Mit dieser Position fand die US -Regierung bisher jedoch lediglich bei Großbritannien Unterstützung. UNO-Stellen meinten, damit sei Washington isoliert. Ein Diplomat äußerte gar: „Die USA sind zu weit gegangen.“
Am Montag begann das Pentagon mit der Formulierung der für US-Soldaten bindenden Bestimmungen für den Fall einer Konfrontation mit einem Schiff, das die Blockade durchbrechen wolle.
Die Fernsehgesellschaft NBC meldete, in einigen Tagen könnte es zu einer ersten kritischen Konfrontation kommen. Ein mit Waffen und Munition aus Polen kommender irakischer Frachter sei auf dem Weg durch den Suez-Kanal in den jordanischen Hafen Akaba.
Derweil schafften die USA weitere Soldaten und Material nach Saudi-Arabien. In einigen Meldungen hieß es, möglicherweise seien bald 50.000 Mann vor Ort. Weitere 50.000 US-Soldaten könnten folgen. Hohe US-Militärs haben indes über Ausrüstungsmängel der in Saudi-Arabien stationierten Truppen geklagt.
Die Zahl der irakischen Soldaten in Kuwait wurde am Montag vom State Department auf rund 140.000 geschätzt. Im Süden des Irak warteten weitere 50.000 Mann. Nach Angaben des saudischen Rundfunks sind bereits mehrere Dutzend irakischer Soldaten samt ihren Panzern nach Saudi-Arabien desertiert.
Nach US-Angaben sind in den letzten Tagen rund 500 Amerikaner aus Kuwait nach Saudi-Arabien gelangt. Die offizielle Position des Irak hinsichtlich der Ausreise von Ausländern sei aber weiter unklar. Der irakische Botschafter in Paris äußerte, das Schicksal der im Irak festgehaltenen Ausländer, deren Geiselstatus er verneinte, hänge vom Verhalten ihrer Regierungen ab.
Mit der Entsendung von je zwei australischen und niederländischen Fregatten in die Golfregion und der Ankunft einer weiteren französischen Fregatte im Suezkanal ging unterdessen der internationale Flottenaufmarsch weiter. Während Großbritannien und Australien erklärten, sie wollten sich an einer von der US-Regierung als „Unterbrechung der Schiffahrtswege“ bezeichneten Aktion beteiligen, hieß es in Paris, die französischen Kriegsschiffe seien einzig zum Zweck der Abschreckung in der Region.
Die indische Nachrichtenagentur 'uni‘ meldete gestern, Pakistan werde auf Bitten des saudischen Königs Fahd ebenfalls Truppen nach Saudi-Arabien verlegen.
Offenbar vor dem Hintergrund massiver pro-irakischer Demonstrationen von Palästinensern erklärten saudische Beamte, man werde die Visa für etwa 5.000 im Lande lebende Palästinenser nicht verlängern.
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