: „Frauen wissen, was sie tun“
■ Pedro Almodovar, das enfant terrible des spanischen Kinos, wird leider immer harmloser: Zum Filmstart von „Fessle mich“ Notizen zu seinem Gesamtwerk und Auszüge aus einem Gespräch mit dem Regisseur
Von Marcia Pally
Pedro Almodovar ist zur Zeit der wohl mutigste Vertreter des Camp-Kinos. Seine Bildersprache ist die raffinierteste und anspruchsvollste dieses Genres und, was noch wichtiger ist, er benutzt Camp, um seine antiautoritären Überzeugungen unter die Leute zu bringen. Almodovar gehört klar erkennbar La Movida an, jener sozialen und politischen Bewegung, die sich nach Francos Tod in Spanien ausbreitete.
Geschmackvoll inszenierte Glaubensbekenntnisse in Sachen Schwulenbewegung, Feminismus, Faschismus oder Kirche lehnt Almodovar strikt ab. Die sind ihm zu leicht verdaulich, um unsere Gelüste wirklich zu befiedigen. Almodovar verabscheut die Repressionen der Regierung oder der Kirche, er wehrt sich aber auch gegen jegliches Gruppendenken, das Geschlechterrollen sowie Verhaltensmuster festschreibt oder in einem gutgemeinten Radikalismus beides bekämpft. „Die Gesellschaft will unbedingt die Leidenschaft kontrollieren, weil sie das soziale Gleichgewicht stört“, sagt Almodovor nach dem überraschenden Erfolg von Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs. „Aber für das Individuum ist Leidenschaft das einzige, was das Leben sinnvoll macht.“
Um die Verteidigung der Leidenschaft, so unorthodox sie sein mag, geht es in Almodovars letztem Film Fessle mich. Ein junger Mann wird aus der psychiatrischen Anstalt entlassen, in die er als jugendlicher elternloser Unruhestifter eingewiesen wurde. Er kidnappt einen appetitlichen Porno-Star (Victoria Abril), die er seit langem via Leinwand liebt. Um sie für sich zu gewinnen, fesselt er sie in ihrem Appartement ans Bett und wartet so lange, bis sie ihn ebenfalls liebt - obwohl er keinen Pfennig besitzt und ein bißchen exzentrisch ist.
Androgyn, extravagant, theatralisch
Den Rahmen für diese wie für Almodovars andere Geschichten bildet die überzogene Theatralik von TV-Meldodramen und Filmen aus der Studio-Ära, in denen sich Leidenschaft, Eifersucht und Betrug in ihrer grinsenden Trägheit zur Schau stellen. Almodovar wendet sie satirisch, so werden seine Filme zu einer Coming-out-Party der Begierde.
Susan Sontag hat 1964 in ihrem Aufsatz Notes on Camp jene Charaktere beschrieben, die auch Almodovars Filme zur Schau stellen: Sie sind übertrieben, künstlich, androgyn, extravagant, theatralisch und fantastisch. In seinen Arbeiten greift Almodovar auf das Vermächtnis des Rokkoko, der Chinoiserie, des Art Nouveau und der B-Filme der vierziger Jahre zurück. Seine Filme sind leidenschaftlich und verschwenderisch. Denn nur mit Leidenschaft, so bemerkt Sontag, geht die Verschwendungssucht von Camp über das rein Dekorative hinaus und kann ihren Zynismus entfalten.
Sontag beschreibt Camp als eine Bewegung, die aufgrund ihres Desinteresses gegenüber Inhalten unpolitisch ist. Almodovar setzt jedoch gerade das Verschwenderische und die Vorliebe für bestimmte Stimmungen dazu ein, um seine politischen Überzeugungen zu transportieren. Camp übersteigert Emotionen, Almodovar benutzt diese Übersteigerung, um unsere persönlichen Gefühle und Leidenschaften mit konventionellen Vorstellungen von Normalität zu kontrastieren.
Was Woody Allen für die „Yiddishkeit“ getan hat, tut Almodovar für die Schwulenbewegung
Almodovar hat das für das Selbstverständnis der Schwulen getan, was Männer wie Woody Allen für die „Yiddishkeit“ getan haben. (Diese Idee ist nicht zu weit hergeholt, Susan Sontag hat Juden und Schwule einmal als die „beiden Pionierkräfte moderner Empfindsamkeit“ bezeichnet.) Almodovar verwendet das überzogene Pathos des Schwulengettos - das, genau wie der jüdische Humor, eine Strategie ist, den Haß der Gesellschaft zu überleben, - und setzt es in eine allgemein verständliche Sprache.
Juden und Schwule versuchen mit der gesellschaftlichen Diskriminierung auf unterschiedliche Weise umzugehen. Verfolgt wegen ihrer religiösen Überzeugung, trösten sich die Juden, indem sie das Schicksal, Gottes auserwähltes Volk zu sein, überzeichnen. So haben sie sich eine Palette von Witzen und Stereotypen zugelegt, um mit ihrer „Paranoia“ und ihrem „Martyrium“ fertigzuwerden. (Man denke nur an die Szene, als Milchmann Tevje fragt: „Warum konnte sich Gott nicht auch mal jemand anderen auswählen?“.) Schwule, die diskriminiert werden, weil sie als zu weiblich gelten, trösten sich damit, daß sie das Schicksal „Weiblichkeit“ übersteigern - am offensichtlichsten bei Transvestiten.
Verglichen mit seinen früheren Filmen ist Fessle mich jedoch oberflächlicher. Der B-Film-Klangteppich am Anfang signalisiert bereits das parodistische Vorhaben: Konventionen a la King Kong. Die Kulissen sind papageienbunt, im Verlauf des Films werden sie noch tropischer und fantastischer. Und was diesen süßen jungen Mann betrifft, der die vor ihm liegende Frau so lange bearbetet, bis ihre Liebe erwacht, könnte Fessle mich sogar als Hommage an Dornröschen durchgehen. Der Film ist nicht schlecht, das Problem ist nur: Im Vergleich zu Almodovars anderen Filmen ist er nicht schlecht genug.
Trotzdem hat Fessle mich Aufsehen erregt, vor allem wegen der zahlreichen Filmmeter, auf denen Abril ans Bett gefesselt ist. Die Komplexität und der unzüchtige Humor seiner früheren Arbeiten veranlaßten das Publikum, sie als ikonoklastische Phantasien zu betrachten. Mit der Schlichtheit von Fessle mich geht Almodovar das Risiko ein, daß die Geschichte beim Wort genommen wird.
Prädikat: jugendgefährdend
Die „Motion Picture Association of America“ (MPAA) hat Fessle mich jedenfalls mit dem Prädikat „jugendgefährdend“ zensiert. Dabei soll vor allem die Liebesszene zwischen Banderas und Abril eine Rolle gespielt haben - in Wirklichkeit spiegelt diese Entscheidung wohl eher das allgemeine Unbehagen der MPAA wider. Almodovar, der vor achtzehn Monaten noch in öffentlicher Anerkennung schwelgte, war jedenfalls verblüfft: Weil sie seinen Film in ein schlechtes Licht rückten, hat er die MPAA verklagt.
„Ohne Fesseln kann man nicht leben“
„Man ist immer überrascht, wenn man mißverstanden wird“, sagte er nach den heftigen Auseinandersetzungen. „Ich, ein Macho - wen wollen die eigentlich für dumm verkaufen?“
„Die Stricke in Fessle mich haben nichts mit Gewalt oder Sado-Masochismus zu tun. Sie sind einfach - vielleicht zu einfach - eine Metapher für menschliches Zusammenleben. Jede Beziehung stellt Ansprüche und verlangt, die eigene Freiheit einzuschränken. Jede feste Bindung oder Karriere bringt Dinge mit sich, die man nicht mag. Aber ohne diese Fesseln, diese Beschränkungen, kann man nicht leben. Das muß man sich eingestehen, wenn man eine Verpflichtung eingeht. Wenn man sich darauf einläßt, muß man bestimmte Einschränkungen in Kauf nehmen.“
„In diesem Sinne ist die Entscheidung meiner Heldin ganz vernünftig. Der Mann hat seine Fehler, aber um von ihm geliebt zu werden, muß sie ihn nehmen, wie er ist. Naürlich muß man dafür kämpfen, bestimmte Dinge in einer Beziehung zu verändern. Man sollte jedoch von vornherein wissen, daß sich die meisten Dinge nicht ändern lassen. Alles kann so lange ertragen werden, bis es zu schlimm wird, dann geht man weg. Wenn man bleibt, darf man sich nicht belügen und muß die Konsequenzen akzeptieren.“
„Seitdem ich auf die Vierzig zugehe, immer bekannter werde und ein Haufen Arbeit auf mich wartet, beschäftigt mich diese Frage mehr als früher. Es ist schwieriger geworden, für eine andere Person offen zu sein. Will man sich diese Möglichkeit bewahren, muß man genau wissen, wofür man sich entscheidet. Wenn ich Liebe und Leidenschaft will, muß ich die Probleme akzeptieren, die damit auf mich zukommen. Ich verlange nicht, daß jede(r) vernünftig sein soll; ich mag Menschen, die verantwortungslos und unverschämt sind. Ich bin anders. Wenn ich mich bewußt für etwas entscheide, will ich meine Sache gut machen. Was andere darüber denken, spielt keine Rolle.“
„Was die Reaktionen auf Fessle mich betrifft... wir müssen in der Lage sein, über das zu sprechen, was in uns vorgeht, sogar über die allerschlimmsten Dinge. Wenn ein Filmemacher glaubt, Frauen fesseln zu müssen - was für mich offensichtlich nicht zutrifft -, dann muß er auch darüber sprechen können. Solche Phantasien in Büchern oder Filmen zu zensieren, halte ich für sehr gefährlich. Damit wird die Heuchelei unter den Tisch gekehrt. Fast jede Leidenschaft enthält Gewalt, keine physische, sondern eine emotionale. Das ist das Wesen der Intensität. Wir dürfen nicht verbergen, was in unserem Innern vorgeht, sonst werden wir niemals über uns Bescheid wissen.“
Amodovar hofft, daß die Schlichtheit von Fessle mich das Besondere aller Almodovar-Filme betonen würde - und ihm, als eine Art Standortbestimmung, helfen könnte, den faustischen Versuchungen zu widerstehen, die nach Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs auf ihn zukamen. Die Disneystudios waren besonders scharf auf einen Vertrag mit ihm. Genau wie das International Creativ Manegement, eine der angesehensten Gesellschaften im Filmgeschäft (Amodovars Kommentar: „Sie verstehen, wenn du eine Million mehr brauchst, aber nicht, wenn du nein sagst.“) Almodovar lehnte ab und ging nach Spanien zurück, um einen Film zu machen, der „noch persönlicher“ sein sollte als seine früheren Arbeiten. „Ich wollte meine Unabhängigkeit und die Kontrolle über meine Karriere behalten.“
„Ich liebe schlechte Filme“
„Es gibt Parallelen zwischen mir und der Figur aus Fessle mich, die von Francisco Rabal dargestellt wird. Er spielt einen berühmten Regisseur, der ein 'Trashmovie‘ drehen will. Weil die Vorurteile gegenüber solchen Filmen groß sind, kann er als angesehner Regisseur so etwas nicht machen. Erst als er gelähmt im Rollstuhl sitzt, verwirklicht er sein Vorhaben. Damit besteht er auf seiner Unabhänigkeit, entscheidet sich gegen die Ansichten seiner Freunde und gegen die gängigen Trends.“
„In Fessle mich spreche ich quasi durch ihn. Ich liebe Filme wieDie Nacht der lebenden Toten, Texas Chainsaw Massacre oder Monkeyshines. Im Gegensatz zu Filmen von David Cronenberg (Videodrom, Die Unzertrennlichen) geben sie nicht vor, intellektuell zu sein. Es könnte mir gefallen, einen B-Film zu machen oder darüber nachzudenken. Dann tue ich es doch nicht. Stattdessen drehe ich stilisierte Satiren.“
„An der Rabal-Figur finde ich interessant, daß er sich dafür entscheidet, einen 'schlechten‘ Film zu drehen, obwohl es seinem Ansehen schaden könnte. Dabei lernt er seine Karriere zu benutzen, um im 'wahren‘ Leben davon zu profitieren. Weil er eine bstimmte Schauspielerin kennenlernen will, engagiert er sie für seinen Film. Sie braucht Hilfe, um von Drogen loszukommen, also schreibt er eine Szene, in der sie ehrlich zu sich selbst sein muß. Sein Leben und sein Beruf geraten nicht ständig in Konflikt. Ich will mehr darüber wissen, wie man das schaffen kann.“
Ein Astronaut am Hof König Arthurs
Almodovar wurde am 25.September 1951 geboren, er wuchs in der kleinen Provinzstadt Calzada de Calatrava auf, dort fühlte er sich zu Hause wie „ein Astronaut am Hof König Arthurs“. Sein Großvater war Winzer, sein Vater Buchhalter einer Tankstelle. Pedro las viel, malte und begeisterte sich für Serien wie Peyton Place, Melodramen mit Elisabeth Taylor und Natalie Wood und irgendwie auch für Tennessee Williams.
„Wenn man anfängt, davon zu träumen, Regisseur zu werden, träumt man von Schauspielerinnen“, sagt Almodovar. „Regisseure werden einem erst später bewußt. Ich träumte von Bette Davis - ich bewundere ihre Charakterstärke, ihre Selbständigkeit, Katherine Hepburn und Marilyn Monroe.“
Später entdeckte Almodovar Hitchcock, Billy Wilder und Bunuel, die er als seine „Dreifaltigkeit“ bezeichnet. Von ihnen lernte er jene Techniken, die seinen Stil bestimmen: Gegensätzliches zu überlagern und Absurdes nebeneinander zu stellen. „Hitchcock schaffte es, Bilder der 'hohen Kunst‘ einem breiten Publikum zu vermitteln, er machte Unglaubwürdiges glaubwürdig.“ Wilder erzählte traurige, realistische Geschichten als Komödien. Bunuel kam Camp am nächsten, vor allem während seiner mexikanischen Periode, als er mit der Subtilität eines Meisters schlechte Drehbücher mit schlechten Schauspielern in beißendes Kino verwandelte. Er hat Träume und surrealistische Phantasien in Alltagsszenen integriert „und dabei nicht einmal das Licht verändert“, sagt Almodovar.
Mit siebzehn zog Aldomovar nach Madrid, dort arbeitete er zehn Jahre für eine Telefongesellschaft. Während dieser Zeit schrieb er für Untergrund-Zeitungen und war Schauspieler bei der unabhängigen Theatergruppe „Los Goliardis“.
Als mit Francos Tod die dahinsiechende Subkultur befreit wurde, stand Almodovar in deren Zentrum. Er drehte experimentelle Super-B-Komödien (u.a.Screw, Screw, Screw Me Tim), schrieb einen Roman (Fuego en las Entranas) und publizierte eine pornographische Fotoromanze (Todo Tuya). Außerdem war er Chef der Rockband „Almodovar and McNamara“ und kreierte Patty Diphusa, einen internationalen Pornostar, deren Bekenntnisse als Serie in der Zeitschrift 'La Luna‘ erschienen.
Seinen ersten langen Spielfilm Pepi, Lucy, Bom und andere Mädchen aus der Clique machte Almodovar 1980: Gedreht wurde an Wochenenden, FreundInnen agierten vor der Kamera, das Budget betrug 30.000 Dollar. Die Geschichte handelt von Pepi, ihrer Affäre mit der masochistischen Luci, die mit einem Polizisten verheiratet ist, der mit Pepi ins Bett geht, als sich Luci mit der lesbischen Sängerin Bom zusammentut. Pepi wurde sofort zu einem Kultfilm, der lange in Madrids populärsten Off-Kinos lief. Womit habe ich das verdient? war Almodovars erster kommerzieller Erfolg, Das Gesetz der Begierde wurde 1986 in Spanien zum erfolgreichsten Film des Jahres, nur noch übertroffen vonFrauen am Rande des Nervenzusammenbruchs (1988).
Da Almodovar mit seinen ersten Ergebnissen sehr zufrieden war, besetzte er die Rollen in seinen Filmen weiterhin mit Freudinnen und Freunden aus der Madrider Club- und Theaterszene. Antonio Banderas (eine Art Paul Newman, nur jung und dunkelhäutig) spielte in einer obskuren Off -Produktion, bevor ihm Almodovar eine kleine Rolle in Labyrinth der Leidenschaft anbot; danach folgten Hauptrollen in Matador (1982), Gesetz der Begierde, Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs und Fessle mich. Als Carmen Maura, langjährige Freundin und Muse des Regisseurs, Almodovar kennenlernte, spielte sie in Sartres Schmutzigen Händen eine Hauptrolle. Er engagierte sie als Pepi, danach für fünf weitere seiner nächsten sieben Filme. Ihre offensive Unzüchtigkeit verhalf beiden zu internationalem Ruhm.
Pedro, Carmen und die Berliner Mauer
Nach Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs trennten sich Maura und Almodovar. „Ich bin ein gefährlicher Regisseur“, erklärte er damals, „ich will nicht angeben, aber wenn ich mit meinen SchauspielerInnen arbeite, werde ich zu dem, was sie gerade brauchen - Liebhaber, Vater, Mutter. Nach der Drehzeit trenne ich mich von ihnen. Daraus ergeben sich häufig Probleme. Schauspieler arbeiten auf einer unglaublich intensiven und privaten Ebene, da muß man aufpassen.“
Nach einem Jahr der Trennung trafen sich Almodovar und Maura bei der Verleihung der spanischen „Oscars“ im März 1990 - sie war Moderatorin, er übergab die Preise. „Unser Kampf war in Spanien zu einem nationalen Problem geworden. Die Zeitungen waren voller Artikel über uns, das sollte aufhören. Ich wollte eine Versöhnung.“
Auf der Bühne („Ich liebe die Bühne, sie regt mich an“) überreichte Almodovar seiner ehemaligen Hauptdarstellerin ein Stück der Berliner Mauer und verkündete: „Wenn eine Mauer, die so fest war, fallen konnte, hoffe ich, daß auch die Mauer zwischen uns einstürzen wird.“ Der Boulevardpresse gefiel das.
Frauen stehen im Mittelpunkt aller Filme Almodovars, ihre Bedürfnisse, Schwierigkeiten und ihr Verhalten sind Gegenstand seiner Drehbücher; in den weiblichen Charakteren zeigt er jene Leidenschaften, die uns alle bestimmen und die von Männer traditionell verdrängt werden.
„Frauen wissen, was sie tun“
„Ich werde zum Spezialisten für Frauen“, sagt Almodovar, „ich belausche ihre Gespräche in Bussen und U-Bahnen. Durch sie zeige ich mich selbst. Männer sind unflexibel, sie sind dazu verdammt, ihre spanische Macho-Rolle zu spielen.“
In den Anmerkungen zu seinen Arbeiten beschreibt Almodovar seine Abneigung gegenüber dem typischen Leinwand-Antihelden, der, wenn er in der Liebe verliert, „seinen Job und seine guten Manieren aufgibt und auf Sauftour geht..., bis er zum Schluß von der ganzen Welt abgelehnt wird. Am Ende macht er dann meist den Kellnern das Leben zur Hölle. Ich will nicht sagen, daß Männer nicht auch leiden oder daß die Einsamkeit uns Männer nicht genauso schwer trifft, aber wer will heutzutage schon einen Film darüber drehen?... Frauen wissen, wie sie sich benehmen müssen, wenn sie von ihrem Freund sitzengelassen werden.“
„Fessle mich handelt vom Triumph des Matriachats, im besten Sinne des Wortes. Der junge Mann sucht Liebe und eine Familie, am Schluß ist es jedoch die Frau, die entscheidet. Zusammen mit ihrer Schwester diktiert sie die Bedindungen..., Frauen sind praktischer veranlagt. Innerhalb einer Beziehung arbeiten sie schwerer und ertragen mehr. Wenn es vorbei ist, können sie der Trennung ins Auge sehen. Sie wissen, was sie tun. La Mancha, die Region, aus der ich stamme, ist sehr macho. Die Frauen arbeiten und sprechen nicht, die Männer sind Götter, aber weil sie abseits sitzen und unbeteiligt sind, wissen sie über nichts Bescheid. Die Frauen dagegen wissen, was den Menschen ausmacht; das ist das Zwiespältige an der Art und Weise, wie Frauen leben.“
In Fessle mich geht es am Ende darum, jene Bedingungen, die das Leben anderer Menschen bestimmen, zu akzeptieren. Chefs und Liebende bestimmen die Regeln; deshalb sagt man auch, daß Verpflichtungen bindend sind. Nach Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs war Almodovar unsicher, ob er überhaupt einen persönlichen Film drehen könnte, einen, der aus dem Gewirr seiner privaten Lebensumstände entstehen könnte. Da in Fessle mich die Zwänge von Liebe und Karriere auf der Leinwand miteinander ringen, scheint es ihm gelungen zu sein.
Aus dem Amerikanischen von Michaela Lechner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen