piwik no script img

Neue Mutter der Nation?

■ betr.: "Generationenwechsel" (Klaus Hartung), "Ich traue uns zu, zu regieren" (Antje Vollmer), taz vom 10.8.90

betr.: „Generationswechsel“ (Klaus Hartung), „Ich traue uns zu, zu regieren“ (Antje Vollmer),

taz vom 10.8.90

Wundersame Wege gehen die (Gedanken der) ParlamentarierInnen. Frau Vollmer von den Grünen, scheint's , will die neue Mutter der Nation werden. Sie will „das neue geistige Band“ für eine Rolle der Deutschen in „Mitteleuropa“ sein. Warum so bescheiden? 45 Jahre nach dem Ende des letzten von den Deutschen angezettelten Weltkrieges sollte man sich mit einer neuen Rolle der Deutschen nur in „Mitteleuropa“ nicht mehr zufrieden geben. Der Reue ist genug und Mitteleuropa doch etwas knapp bemessen. Die Grünen kennen keine Parteien, keine unterschiedlichen Interessen in der Gesellschaft mehr, sondern nur noch Deutsche. Die „europäische Welt„(?) braucht uns nicht zu fürchten, wir sind ganz friedlich - was Hitler mit militärischen Mitteln nicht erreicht hat, wir erreichen es mit der ökonomischen Übermacht: das „neue Konzept“ für Deutschland. Hartung freut sich, faselt er doch schon seit einiger Zeit von der „Chance der Vereinigung“.

Ganz bemerkenswert auch Frau Vollmers Ausführungen zur Fünfprozentklausel. Gegen diese sind die Grünen nicht etwa, weil sie ganz einfach undemokratisch ist, sondern ganz im Stile der Staatsfrau fragt sie sich, wo denn sonst die Wut der Menschen landen soll, wenn sie nicht ins Parlament kanalisiert werden kann. Denn: Während die parlamentarische Debatte auf Gewaltfreiheit verpflichtet sei, habe die außerparlamentarische Diskussion eine ganz eigene Dynamik, nämlich eine „gefährliche und gewaltsame“ - wobei Frau Vollmer sich zur Zeit noch veranlaßt sieht, das Wörtchen „möglicherweise“ einzuschieben. Frau Vollmer kommt denn auch zum Schluß, daß sie den Grünen zutraue, zu regieren. Kein Zweifel, wer sich so in den „Konsens der Demokraten“ einreiht, sollte mitregieren - vielleicht in einer ganz großen Koalition angesichts der harten Bewährungsproben für „uns Deutsche“.

Die Grünen sind unwählbar. Wer, wie auch ich, noch einen Beweis dafür brauchte - Frau Vollmer hat ihn geliefert. (...)

Thomas Lakies, Berlin-West

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen