piwik no script img

Phantastereien

Mit mindestens zweien seiner Forderungen lag der gefeuerte Finanzminister Walter Romberg in der Sache wirklich daneben. Die Verwendung sämtlicher Steuereinnahmen aus dem Gebiet der Noch-DDR zugunsten der fünf neuen ostdeutschen Bundesländer ist nicht verfassungsgemäß. Und für das Begehren, die Entscheidungsgewalt über die Nutzung des Treuhandvermögens den fünf Ländern zu überlassen, können sich die zukünftigen Landesregierungen nur bedanken - dies dürfte ein riesiges Minusgeschäft werden. Zu guter Letzt mag auch de Maizieres Vorwurf, Romberg habe einen Rückstau des Geldflusses aus Bonn zu verantworten, schwer zu entkräften sein. In zwei Punkten hat der Noch-Finanzminister aber recht: die Kosten der Einheit nicht herunterzuspielen, und die Bundesländer dafür nicht zur Kasse zu bitten.

Denn völlig verquer ist de Maizieres Argumentation, Romberg habe einen Fehler gemacht, indem er die Bundesländer nicht belasten wollte. Die Kohlsche Vereinigungspolitik ist an den (West-) Ländern vorbeigegangen; erst nach dem dreisten DM -Angebot Kohls wurden sie mit den Kosten der Überstülpung konfrontiert. Ansprechpartner für die Finanzierung der Folgen ist und bleibt Bonn und damit die christlich-liberale Koalition. Der Versuch, einen Teil der von Romberg für die kommenden fünf Jahre prognostizierten Gesamtverschuldung von neunzig Milliarden D-Mark den Bundesländern aufzuhalsen, ist zwar aus der Wahlsicht von Bundesfinanzminister Waigel verständlich. Aber wenn sich die Bundesregierung beschwert, die 90 Milliarden seien als einfache Fortschreibung des akuten Finanzbedarfs unseriös, müßte sie selbst seriösere Schätzungen vorlegen. An die dazu notwendigen Zahlen, sofern vorhanden, kommen die Bundesexperten mit Leichtigkeit schließlich gehen sie seit Monaten im Finanzministerium der DDR ein und aus.

Abgesehen davon, ist der Länderfinanzausgleich unter der Voraussetzung relativ gleicher Ausgangsbedingungen unter den Teilnehmern konzipiert worden. Davon kann bei den neuen Ländern ernsthaft aber wohl kaum die Rede sein. Und noch ist überhaupt nicht absehbar, wann in der Noch-DDR ein funktionierendes Steuer- und Rechnungswesen installiert ist; wer jetzt Steuerschätzungen für die kommenden Jahre abgibt, ist schlichtweg ein Phantast.

diba

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen