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Angeblich Putschversuch in Bagdad

■ Am Mittwoch soll ein Putsch gegen Saddam Hussein stattgefunden haben / König Hussein hat kaum Spielraum bei seiner US-Mission / Teheran reagiert zurückhaltend auf Bagdader Friedensangebot

Washington/Amman/Kairo (ap/afp/dpa) - Ein Mordanschlag gegen den irakischen Präsidenten Saddam Hussein soll nach Berichten von Reisenden angeblich gescheitert sein. Die ägyptische Nachrichtenagentur 'Mena‘ berichtete gestern unter Berufung auf nicht näher genannte Informanten über Massenverhaftungen von Offizieren und Zivilpersonen. Die Verhaftungen hätten bereits am Mittwoch stattgefunden. Wann der Mordanschlag verübt worden sein soll, wurde nicht mitgeteilt. Unter den Verhafteten, so 'Mena‘, seien auch enge Mitarbeiter des Diktators. In Bagdad sollen schwerbewaffnete Soldaten patrouillieren. An allen strategischen Punkten seien Straßensperren errichtet worden.

Als möglicher Vermittler in der Golfkrise wurde gestern der jordanische König Hussein zu Gesprächen mit Präsident George Bush in den USA erwartet. Nach irakischen Informationen überbringt der jordanische Herrscher dem US-Präsidenten eine irakische Friedensinitiative. Inoffiziellen Quellen zufolge soll Saddam Hussein darin vorschlagen, die Zahl der US -Truppen in Saudi-Arabien auf dem derzeitigen Stand einzufrieren und eine internationale Konferenz über Modalitäten eines irakischen Truppenrückzugs aus Kuwait einzuberufen. Im US-Fernsehsender ABC hatte der irakische Außenminister Tarik Aziz vorgestern die Bereitschaft des Irak betont, ohne Vorbedingungen über eine Beilegung des Konflikts zu sprechen. Aziz versicherte auch, der Irak werde keinen Krieg beginnen.

Das Treffen zwischen Bush und Hussein findet am Urlaubsort des amerikanischen Präsidenten an der Atlantikküste statt. Die beiden Gesprächspartner kennen sich schon seit den Zeiten, als Bush noch CIA-Chef war. Bald nach dem Amtsantritt von US-Präsident Jimmy Carter hatte die 'Washington Post‘ enthüllt, daß König Hussein im Sold des CIA stand und geheimdienstliche Informationen geliefert habe. Carter stoppte damals die Zahlungen. Hussein und Bush trafen sich auch später immer wieder.

Ein Hauptthema des Treffens, das gestern abend begann, dürfte der seit dem UN-Blockadebeschluß gegen den Irak drastisch angestiegene Warenverkehr zwischen Jordanien und dem Irak sein. König Hussein ist wegen seiner Weigerung, sich den UN-Sanktionen anzuschließen, ins Schußfeld der Kritik geraten.

In Jordanien wächst die Furcht, daß eine Befolgung der US -Sanktionen gegen den Irak zu einem Volksaufstand führen könne. Da große Teile der jordanischen Bevölkerung klar Partei für Saddam Hussein ergreifen, befürchtet König Hussein, die innenpolitischen Folgen eines solchen Schrittes könnten gravierend sein. Ob in dieser Situation finanzielle US-Ausgleichszahlungen die Stabilität des Landes garantieren können, bleibt fraglich. Der Handlungsspielraum Husseins ist daher eng begrenzt.

Unterdessen geht der Aufmarsch der US-Streitkräfte am Golf planmäßig weiter. Das Pentagon kündigte nun auch die Entsendung einer unbekannten Zahl der brandneuen F-117 „Stealth„-Kampfbomber in die Krisenregion an. Diese „Tarnkappen-Bomber“ können feindliches Radar unterfliegen und Bomben mit bislang unerreichter Zielgenauigkeit plazieren. Verunsichert zeigten sich etliche Saudis über die Anwesenheit von US-Soldatinnen, die nur mit T-Shirt und Höschen bekleidet ihren militärischen Pflichten nachgehen.

Nach wie vor ist unklar, wie Teheran auf das jüngste Friedensangebot aus Bagdad reagieren wird. Exil-Iraner in Paris sehen eine Reihe von Risiken für Teheran in der irakischen Offerte. Saddam bietet darin den Rückzug der irakischen Truppen von iranischem Boden und die Freilassung der Kriegsgefangenen an. Auch will er die Teilung des Grenzflusses Schatt al-Arab akzeptieren.

Nimmt der Iran das Angebot an, dann würde der iranisch -irakische Konflikt zur bilateralen Angelegenheit. Die Resolution 598 des UN-Sicherheitsrats, die den Waffenstillstand im August 1988 regelte, würde damit über Bord geworfen. Für den Iran ist es aber wichtig, alle Verhandlungen mit dem Irak im Zusammenhang mit dieser UN -Resolution zu führen. Sieht doch das Dokument die Einrichtung einer Untersuchungskommission vor, die klären soll, welche Seite 1980 den Golfkrieg begann. Die weitaus besseren Karten hat dabei der Iran, dem durchaus der Beweis gelingen könnte, daß Bagdad den Krieg begann. Gelingt Teheran dieser Beweis, dann hätte es Anspruch auf hohe Reparationen.

Trotzdem könnte die Teheraner Regierung aus mindestens zwei Gründen in Versuchung geraten, Saddams Angebot anzunehmen. Erstens würde ein irakischer Rückzug die erniedrigende militärische Besetzung von iranischen Grenzgebieten beenden und zweitens würde jede Verlängerung der Golf-Krise die Ölpreise hochtreiben, was durchaus in iranischem Interesse wäre. Zuständig für eine Antwort an Bagdad ist der „Hohe Verteidigungsrat“. Dessen Entscheidung bedarf aber noch des Plazets von Ajatollah Khamenei, dem geistlichen Führer des Landes.

Mittlerweile handhabt die irakische Regierung die Ausreise von Ausländern offenbar großzügiger. Tausende von Menschen, überwiegend Ägypter, sind gestern auf dem Landweg in Jordanien eingetroffen. Erstmals seit der Kuwait-Invasion vom 2. August flog auch wieder eine irakische Verkehrsmaschine von Bagdad nach Amman und zurück.

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