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Das Dilemma der USA in der Golfkrise

■ Einerseits wollen die USA nicht die Alleinlast einer möglichen militärischen Auseinandersetzung im Golf tragen / Andererseits ist Washington nicht bereit, sich unter UNO-Kommando zu begeben / Zu viel steht für die USA auf dem Spiel

Aus Genf Andreas Zumach

Beim Anfang dieser Woche ausgebrochenen Streit, ob die USA mit ihren Maßnahmen gegen den Irak bereits über bisher gefaßte Beschlüsse des UNO-Sicherheitsrates hinausgegangen sind, geht es um weit mehr, als eine „bloß semantische Unterscheidung“ (Weißes-Haus-Sprecher Fitzwater) zwischen den Begriffen „Embargo“, „Blockade“ oder „Quarantäne“. Hinter der Kontroverse, die entlang bisher ungewohnter Fronten verläuft - hier die USA, Großbritannien und Australien, auf der anderen Seite Frankreich, Kanada, China, die Sowjetunion und UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar -, steht das außenpolitische Dilemma der Bush-Administration angesichts der Golfkrise.

Einerseits ist Washington dringend daran interessiert, nicht, wie zumeist in der Vergangenheit, als alleiniger „Weltpolizist“ aufzutreten, sondern die gegen Saddam Hussein gerichteten Kräfte soweit als möglich zu multinationalisieren. Daß die ohnehin schon tiefe Feindschaft gegen die USA in weiten Teilen der arabischen und der islamischen Welt noch zunimmt, es Hussein gar gelingen könnte, über diese Schiene den bisherigen Gegner Iran zum gemeinsamen „Heiligen Krieg“ gegen die USA zu gewinnen - das möchte die Bush-Administration unter allen Umständen verhindern.

Deshalb bemühte sie sich nach Iraks Invasion in Kuwait umgehend um Beschlüsse des UNO-Sicherheitsrates, verständigte sich mit Moskau und drängte bei der Westeuropäischen Union (WEU) wie bei verbündeten Staaten in der arabischen Welt auf die Entsendung von militärischen Kontingenten.

Zugleich hat die US-Marine jedoch bereits mit einer Seeblockade Iraks und damit mit dem Einsatz militärischer Mittel begonnen, die in Artikel 41 der UNO-Charta, auf dem die Resolution 661 des Sicherheitsrates zu Wirtschaftssanktionen gegen Irak beruht, nicht vorgesehen sind. Erst Artikel 42 der UNO-Charta ermöglicht dem Sicherheitsrat den Einsatz von Luft-, See- und Landstreitkräften, falls die beschlossenen Wirtschaftssanktionen „nicht ausreichen“. Doch die Bereitschaft der politischen wie militärischen Führung in Washington, die US-Streitkräfte einem UNO-Kommando zu unterstellen, ist gering.

Zumal - welcher Staat auch immer sich an einer UNO -Streitmacht beteiligen würde - die Hauptlast im Falle einer militärischen Auseinandersetzung am Golf bei den Streitkräften der USA liegen würde. Falls es zu einem Beschluß auf Basis von Artikel 42 der UNO-Charta kommen sollte, dürfte die Bush-Administration anstreben, die Rolle des Militärausschusses des Sicherheitsrates, in dem dessen fünf ständige Mitglieder vertreten sind, auf regelmäßigen Informationsaustausch zu beschränken und die an der UNO -Streitmacht teilnehmenden Truppen jeweils unter ihrem nationalen Kommando operieren zu lassen.

Bush möchte die Kontrolle über das militärische Handeln in der Golfkrise auch deswegen ungern in UNO-Hände legen, weil vom weiteren Verlauf und Ausgang der Krise für ihn innenpolitisch sehr viel abhängt. Derzeit unterstützen laut Umfragen mehr als drei Viertel aller US-AmerikanerInnen den Aufmarsch der US-Streitkräfte am Golf. Auch der Kongreß steht fast geschlossen hinter dem Präsidenten. Es ist Bush gelungen, von den schweren wirtschafts- und finanzpolitischen Krisen der USA und der bisherigen Unfähigkeit seiner Regierung, diese in den Griff zu bekommen, abzulenken.

Daß es die wegen der Ost-West-Entspannung erwarteten Einsparungen im Pentagon-Budget („Friedensdividende“), nicht geben wird, läßt sich jetzt mit den Kosten für den Golfeinsatz begründen. Doch wenn die ersten Särge mit gefallenen GIs in die Heimat zurückkehren, könnte die Stimmung im Lande schnell umschlagen. Zumal, wenn der Krieg länger dauern sollte, und nicht schnelle, für die eigenen Streitkräfte relativ verlustfreie Siege vermeldet werden können wie in Grenada und Panama. Auch eine Geiselkrise um die US-Bürger in Irak und Kuwait könnte am Ende genauso negativ für den amtierenden Präsidenten ausgehen wie diejenige in der Teheraner US-Botschaft 1980 für den damals amtierenden Jimmy Carter.

Innenpolitisch am problematischsten könnte es sich für Bush erweisen, wenn vorläufig überhaupt kein heißer Krieg am Golf ausbricht, der Irak und die US-Streitkräfte aber für viele Monate in ihren jetzigen Stellungen verharren. Das könnte die von Bush in den letzten zwei Wochen gewonnene Unterstützung anderer Staaten, vor allem in der arabischen Welt, wieder aufweichen. Auch eine langanhaltende Präsenz von US-Soldaten in der Golfregion könnte, selbst ohne daß ein einziger Schuß fällt, die Feindschaft gegen die USA verstärken. Die aus Sicht der Bush-Regierung günstigste Lösung wäre eine baldiger Rückzug Iraks hinter die eigenen Grenzen, ohne daß es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommt. Voraussetzung dazu wäre der Sturz Saddam Husseins oder dessen durch die Wirtschaftssanktionen und mangelnde Unterstützung in der arabischen Welt erzwungene Einsicht, daß er sich verkalkuliert hat. Vor allem letzteres scheint derzeit wenig wahrscheinlich.

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