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Jordanien schließt sich Sanktionen an

■ König Hussein sucht jedoch noch nach einer Hintertür: Nahrungsmittel „zu humanitären Zwecken“ sollen weiter über Akaba laufen / Die US-Blockade hat am Freitag morgen begonnen

Kennebunkport/Washington (afp/ap/dpa) - US-Präsident George Bush meinte nach seiner Unterredung mit dem jordanischen König Hussein, die Differenzen zwischen beiden Staaten seien verringert worden - einer diplomatischen Lösung des Konflikts mit dem Irak kamen beide indes nicht näher. Bush äußerte vor der Presse, er habe nach dem zweistündigen Gespräch mit König Hussein keine Hoffnung, daß der irakische Präsident Saddam Hussein seine Truppen aus Kuwait abziehen werde. Zur allgemeinen Überraschung hatte König Hussein auf die Frage, welche Botschaft des irakischen Staatschefs er Bush überbracht habe, geantwortet: „Ich habe gar keine Botschaft gebracht. Ich spreche für niemanden in der Region außer für mich selbst.“ Auf die Frage, ob König Hussein zugesagt habe, Jordanien werde irakische Waren den jordanischen Rotmeer-Hafen Akaba nicht mehr passieren lassen, antwortete Bush mit einem „Ja“. Außenminister Baker schränkte ein, Jordanien bemühe sich noch um die Deutung einer Passage in dem Embargobeschluß, der Nahrungsmittel für humanitäre Zwecke als Ausnahme zulasse.

Unterdessen erteilte Bush den US-Kriegsschiffen in der Golfregion die Erlaubnis, Handelsschiffe aufzubringen, die das Embargo gegen Bagdad umgehen wollen. Wie das Verteidigungsministerium mitteilte, trat die Anweisung gestern ab 2 Uhr (MESZ) in Kraft. „Diese Aktion ist konform mit der Resolution 661 der UNO, die verbindliche Sanktionen“ gegen den Irak und Kuwait verhängt hat, hieß es in einem Kommunique. UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar sieht dagegen in den US-Blockademaßnahmen gegen den Irak einen Verstoß gegen die UN-Charta. Auch Frankreich hatte eine Blockade durch den Embargobeschluß nicht gedeckt gesehen.

Nach Informationen der Versicherung Lloyd's in London werden nach einer drastischen Erhöhung der entsprechenden Versicherungsprämien irakische und kuwaitische Häfen nicht mehr angelaufen. Auch im jordanischen Akaba flaut, so Lloyd's, der Schiffsbetrieb zunehmend ab.

Wie aus Washington und London zu erfahren war, befolgten bisher nur wenige der etwa 6.500 in Kuwait ansässigen Briten und Amerikaner die Aufforderung der irakischen Behörden, sich in Hotels im Zentrum der Hauptstadt einzufinden.

Gestern wollte US-Verteidigungsminister Cheney seine zweite Rundreise durch die Golfregion antreten, darunter nach Saudi -Arabien und Bahrain. Das irakische Fernsehen zitierte am Donnerstag abend einen offenen Brief an Bush, in dem der irakische Präsident Hussein Bush als „Lügner“ bezeichnete und den Amerikanern drohte: „Wir beten zu Gott, um jegliche Konfrontation zwischen dem Irak und den USA zu vermeiden. Sonst werden Tausende Amerikaner im Sarg nach Hause zurückkehren.“ Die USA ließen unterdessen verlauten, sie behielten sich vor, bei einem Chemiewaffenangriff der Iraker mit den gleichen Waffen zurückzuschlagen.

Bundeskanzler Kohl sprach sich am Donnerstag abend erneut in einem ARD-Fernsehinterview für eine Beteiligung der Bundeswehr an einer UN-Truppe im Golf aus, falls es zu einem klaren UN-Votum für einen solchen Verband kommen sollte. Die Europäische Gemeinschaft sicherte Jordanien alle notwendige politische und wirtschaftliche Unterstützung für den Fall einer Beteiligung am Irak-Embargo zu. Allein die Bundesrepublik sagte Jordanien ein Darlehen in Höhe von umgerechnet etwa 51,6 Millionen Mark zu.

Überraschend verhängte das irakische Präsidialamt gestern in einigen Städten Kuwaits eine Ausgangssperre. Sie gilt von 23 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. Über die Gründe für die Maßnahme wurde nichts bekannt. Bereits kurz nach der irakischen Invasion war eine Ausgangssperre über das gesamte kuwaitische Territorium verhängt worden, die jedoch später wieder gelockert wurde.

Derweil sind - drei Tage nach dem überraschenden Bagdader Friedensangebot an den Iran - die ersten 1.000 iranischen Kriegsgefangenen unter Aufsicht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in ihre Heimat zurückgekehrt. Dem IKRK zufolge hat auch der Iran inzwischen eine Gruppe von irakischen Gefangenen an die Grenze gebracht.

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