: Genscher fährt die Ernte ein
■ Zwei-plus-vier-Gespräche wegen möglichem früherem Beitrittstermin der DDR beschleunigt
Von Klaus-Helge Donath
Moskau (taz) - „Die Resultate sind nicht schlecht“, meinte der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse nach dem Treffen mit seinem Amtskollegen Genscher gestern in Moskau. Man sei einen bedeutenden Schritt bei der Vorbereitung des Abschlußdokumentes vorangekommen, das die „endgültigen politischen Regelungen der äußeren Aspekte der deutschen Einheit“ festschreiben soll. Das Dokument wird am 12. September den Teilnehmern des letzten Zwei-plus-vier -Treffens in Moskau zur Paraphierung vorgelegt werden.
Zu einer weiteren Konsultation kommen beide Außenminister noch einmal am 3. September in Moskau zusammen. Trotz der nach außen zur Schau gestellten Einmütigkeit scheinen beide Seiten in der Frage des Truppenstationierungsabkommens, daß die Probleme des Abzugs und der Finanzierung der verbleibenden sowjetischen Verbände in der DDR regeln soll, noch zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gelangt zu sein. Beide Minister lehnten es ab, dazu klare Stellung zu beziehen.
Ursprünglich hatten die Sowjets versucht, den Vereinigungsprozeß mit den KSZE-Verhandlungen zu koppeln. Genscher versuchte hier noch einmal den Sowjets das Tempo, mit dem die Bundesregierung vorprescht, verständlich zu machen: Die Vereinigung hätte eine neue Dynamik erhalten. Nun dürfe der Prozeß nicht durch äußere Aspekte der Vereinigung verhindert werden, betonte Genscher mehrfach. Noch offen ist die Frage, wie der rechtliche Status Deutschlands in der Übergangsperiode zwischen der Paraphierung des Abkommens zwischen den Zwei-plus-vier -Verhandlern und der Ratifizierung durch die Parlamente geregelt wird. Genscher schlug eine Suspendierung des Viermächterechts für dieses Interim vor. Darüber sollen die Zwei-plus-vier-Verhandlungen am 4. September endgültig entscheiden. „Das vereinigte Deutschland“, so Genscher, „darf durch keine offenen Fragen belastet werden“. Bis zum 12.September will auch der Kanzler endgültig Auskunft über die Höchststärke einer gesamtdeutschen Armee geben. Schewardnadse bekräftigte, daß er hinsichtlich einer Ratifizierung des Vertrages durch den Obersten Sowjet der UdSSR keine Schwierigkeiten sehe, „wenn es der Zwei-plus -vier-Konferenz gelingt, gute Dokumente vorzubereiten und wenn diese den Interessen des Landes Rechnung tragen“. Desweiteren erörterten beide Seite die Rahmenbedingungen eines neuen Generalvertrages zwischen einem vereinigten Deutschland und der UdSSR, der alle Bereiche von der Wirtschaft bis zur Wissenschaft umfassen soll. „Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion werden mehr sein, als die bloße Addition der Beziehungen zwischen der DDR, der BRD und der Sowjetunion“, meinte Genscher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen