Im Hochschulgesetz fehlt der Umweltschutz

■ Im SPD-/AL-Entwurf für das Berliner Hochschulgesetz wurde die Einrichtung eines Umweltbeauftragten vergessen / Wissenschaftssenatorin kann für Finanzierung nicht aufkommen / TU-Gruppen stellen Konzept für Umweltbeauftragte vor

West-Berlin. Der rot-grüne Senat hat die Chance versäumt, den Umweltschutz im neuen Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) festzuschreiben. Obwohl ein breiter Konsens in allen Fraktionen des Abgeordnetenhauses über die Wichtigkeit des Themas besteht, wurde die Aufnahme in die Gesetzesvorlage offenbar „vergessen“, wie es die AL -Abgeordnete Hilde Schramm formulierte - allerdings auch von ihrer eigenen Partei.

Vorwürfe zweier Basisgruppen von der Technischen Universität (TU) kommen zu spät. Bereits am 3.September soll über den SPD-/AL-Entwurf im Abgeordnetenhaus debattiert werden, nach weiteren Anhörungen mit VertreterInnen aus Ost -Berlin und den Präsidenten der Hochschulen muß das Gesetzeswerk bis zum 25. Oktober, dem Tag der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses vor den Neuwahlen, seinen Dauerlauf durch die Gremien beendet haben, um noch verabschiedet werden zu können. Neue Forderungen, so die AL, seien durch diesen Zeitdruck unmöglich zu berücksichtigen.

Dieses Versäumnis ist um so unverständlicher, gibt es doch zwischen der TU und dem Senat schon seit mehreren Monaten Streit um die Finanzierung einer (eines) Umweltbeauftragten an der Hochschule. Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD) unterstützt das Vorhaben zwar politisch, sieht sich aber „wegen der angespannten Lage“ außerstande, zusätzliche Gelder zur Verfügung zu stellen. Die TU habe ihren eigenen Etat anzuzapfen, denn schließlich dürfe man keinen Präzedenzfall schaffen, auf den sich andere Institutionen berufen könnten, so die Pressesprecherin der Wissenschaftsverwaltung, Richter.

Hilde Schramm, die das Versäumnis bedauert, stellte klar, daß ein Gesetz noch lange nicht heiße, daß der Senat für die Finanzierung der (des) Umweltbeauftragten aufzukommen habe. Grundsätzlich sei bei der Verteilung von Geldern ein Umdenken angebracht. Nach wie vor seien die traditionellen Formen der Wissenschaft im Vorteil, ob nun vom Senat oder der Uni selbst finanziert. Gelder würden verteilt, Neues aber habe da zunächst wenig Chancen, ein Stück des Kuchens abzubekommen, und brauche einen langen Atem. Ihr Vorschlag zum Thema Umweltbeauftragte wäre, der Senat solle einige Jahre die Finanzierung übernehmen, dann müßten die Hochschulen selbst dafür aufkommen. Die Initiative liege gerade hier bei den Universitäten, die vorbildliche Modelle auch für andere Bereiche entwickeln müßten.

Ganz offensichtlich zu spät machten jetzt die Arbeitsgruppe ökologischer Umbau und der Arbeitskreis Umwelt von der TU in einem Schreiben an Michaele Schreyer, Senatorin für Stadtentwicklung und Umweltschutz, sowie an die Wissenschaftssenatorin ihrem Ärger Luft.

Der lapidare Satz im Gesetzesantrag: „Die Hochschulen tragen mit ihrer Forschung und Lehre zum Erhalt und zur Verbesserung menschlicher Lebens- und Umweltbedingungen bei“ ist ihnen bei weitem zuwenig. Sie fordern die Aufnahme des Umweltschutzes in die Neufassung des BerlHG und warten mit einem eigenen Entwurf auf. Darin schlagen sie die Erstellung eines Umweltschutzkonzeptes für jede Hochschule und auch die Einrichtung von Instanzen vor, die den Umweltschutz an den Hochschulen vernetzen sollen. Danach soll es einen Beirat für Umweltschutz als integrierendes Element zwischen den verschiedenen Instanzen und Statusgruppen geben. Neben ehrenamtlichen, dezentralen Umweltbeauftragten in den einzelnen Bereichen schlagen die Arbeitsgruppen die Stelle eines(einer) hauptamtlichen Umweltbeauftragten in der Verwaltung vor.

Die Aufgaben dieser Umweltbeauftragten wären weit gefaßt: Die Koordinierung einer geregelten Abfallentsorgung an den Universitäten würde ebenso in ihr Aufgabengebiet fallen wie die Ausarbeitung und Durchsetzung von Konzepten, die zur Einsparung von Energie, Wasser und Materialien in allen Bereichen des universitären Apparates führen. Daneben sollten sie Aufklärungskampagnen durchführen, die den Einzelnen für die Belange des Umweltschutzes sensibilisieren. Bei Bauvorhaben oder der Beschaffung von Gütern soll die oder der Umweltbeauftragte die Umweltverträglichkeit untersuchen und an den Entscheidungen beteiligt werden.

Unabhängig von der Frage, ob diese Vorschläge noch im Gesetzestext berücksichtigt werden können, begegnen die Basisleute dem Gerangel um die Finanzierung einer solchen Stelle mit Unverständnis. Den Hochschulen komme eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der Gesellschaft zu, und jede Universität habe die Aufgabe, Umweltbildung und -erziehung in allen Bereichen von Forschung, Lehre und Studium zu integrieren. Dies sei aber bisher nicht in ausreichendem Maße geschehen. Statt dessen bewege sich so manche(r) Forschende oder auch Studierende nach wie vor im „Elfenbeinturm Universität“ ohne Verantwortung für etwaige Folgen des eigenen Handelns - wie zum Beispiel anfallende Abfälle und deren Entsorgung in chemischen Laboren, so ein Sprecher der Gruppe im Gespräch mit der taz.

Aktuell bekanntgewordene Mißstände wie die Dioxinkontamination eines Labors am Institut für Technischen Umweltschutz an der TU oder die Verseuchung chemischer Labore an der Humboldt-Universität seien sicher nur die Spitze eines Eisberges. Was für die Industrie gesetzlich festgeschrieben sei, müsse für die Berliner Hochschulen, deren Umweltbelastung immerhin das Ausmaß einer durchschnittlichen Kleinstadt annehme, genauso gelten. Aber der Wissenschaftsbetrieb nimmt, so Thomas Albrecht von der AG ökologischer Umbau, noch immer „eine Sonderstellung im rechtsfreien Raum ein“. Wo keine gesetzlichen Regelungen vorhanden sind, müssen sie auch nicht eingehalten werden.

Karin Lenhart