Der Nahe Osten gehört den Arabern!

■ betr.: "Für einen Wirtschaftsboykott Iraks" (Bernd Ulrich), "Sich heraushalten geht nicht" (Udo Knapp), taz vom 11.8.90

betr.: „Für einen Wirtschaftsboykott Iraks“ (Bernd Ulrich), „Sich heraushalten geht nicht“ (Udo Knapp), taz vom 11.8.90

(...) Ja, kann ich jetzt mein Engagement im Wahlkampf für eine BRD ohne Armee (BoA) in den Wind blasen? Solche unbedachten Äußerungen diskreditieren meines Erachtens die ganze Friedensbewegung. Ich meine nach wie vor: Der Weg ist das Ziel. Wenn wir eine neue, eine gerechte Weltfriedensordnung anstreben, können wir das nur mit friedlichen Mitteln tun.

(...) Udo bezeichnet die „Internationalisierung des Irak -Konfliktes als ein Muß“, weil eine innerarabische Lösung kaum denkbar sei. Hast Du mal überlegt, ob es nicht auch an Deinen Weltpolizisten und ihrer Interessenpolitik liegen könnte, daß die Araber sich nicht einig sind? Genau der andere Weg wäre der richtige: Wir sollten alles tun, um die Arabische Liga in die Lage zu versetzen, den Konflikt möglichst ohne Waffen - innerarabisch zu lösen. (...)

Die Internationalisierung und der militärische Aufmarsch bergen zudem die Gefahr der Eskalation. Schon allein aus psychologischen Gründen kann Saddam Hussein kaum noch klein beigeben. Eine arabische Lösung wäre auch nicht einfach, aber denkbarer.

Für ganz besonders schlimm halte ich den Ruf nach militärischen Aktionen auch deshalb, weil er von den fortgesetzten Agressionen anderenorts in der islamischen Welt ablenkt: in Palästina, Kaschmir, Afghanistan, Pakistan, Kurdistan und so weiter. Wo war der Ruf nach Sanktionen auch vom Weltpolizisten Udo - gegen Israel in den drei Jahren der Intifada? Wo beim Kampf der Kurden um einen eigenen Staat? Diese ganze Sanktionspolitik war doch bisher nichts anderes als Heuchelei, weil man nur dann aktiv wird, wenn die eigenen Interessen bedroht sind. Das ist nicht grüne Politik und soll es auch nicht werden!

Die Invasion in Kuwait ist zu verurteilen und möglichst schnell rückgängig zu machen. Dabei dürft Ihr aber nicht vergessen, welche Regierungen Ihr dabei unterstützt: die bisherigen Fürstenregime in Kuwait, Saudi-Arabien und anderswo zeichnen sich auch nicht gerade durch Demokratie und panarabische Solidarität aus. Vielleicht bietet die Kuwaitkrise sogar die Chance zu einer Stärkung der rationalen panarabischen Kräfte!

Bei Bernd Ulrich stört mich die tendenzielle Gleichsetzung von Islam und Fundamentalismus. Den Islam gibt es nicht, und bei weitem die wenigsten Moslems sind Fundamentalisten in dem Sinne, wie der Begriff hier meist verstanden wird. Gerade die Grünen sollten sich weiterhin hüten, religiös motivierte Verhaltensweisen anderer Kulturen gleich als „Fundamentalismus“ zu brandmarken, bloß weil manche offensichtlich nur ein oberflächliches Verständnis von diesen Kulturen haben.

Deshalb: Der Nahe Osten gehört den Arabern! Helfen wir unseren Nachbarn, ihren Weg ohne Weltpolizisten selbst zu finden.

Wolfgang Ehmke, Taunusstein (BRD

Selten habe ich so was Dummes gelesen, wie diesen Gastkommentar (Udo Knapp): „Die gemeinsame Haltung der Sowjetunion und der USA in diesem Konflikt schafft die Gelegenheit, eine internationale 'Weltpolizei‘ zu etablieren, die in Zukunft wirksam in den Weltfrieden gefährdende Konflikte eingreifen kann.“

Udo Knapp hat scheinbar schon lange von dieser „Weltpolizei“ geträumt? Und warum setzt er den „Hauptskandal“ („daß es die bundesrepublikanische Industrie gewesen ist, die Saddam Hussein mit Waffen und Technologie (Giftgas) versorgt hat“) an die vierte und letzte Stelle in seinem Kommentar? Nach dem Motto „Ich mach's spannend und bringe die Hauptsache ganz zum Schluß?

Barbara Ketterer, Heidelberg (BRD

(...) Ich dachte immer, Grüne wollten hier in einem der Kernländer des Industrialismus durch einseitige militärische und industrielle Abrüstung die ökologische Wende durch einen Konsensumsturz vorbereiten? Also weg vom Konsumsystem, weg von der industriellen Massenproduktion unter anderem auf Erdölbasis, hin zur selbstversorgerischen, ökologischen Kreislaufwirtschaft im dezentralen und regionalen Rahmen.

Statt dessen grüngetünchter Chauvinismus von „Deutschland als ziviler Weltmacht am Golf“ (B. Ulrich) und der „Weltfriedensverantwortung Deutschlands angesichts der Nahostkrise“! Wo es darauf ankommt, hier im verhängisvoll zentralistischen BRDDR-Gesamtdeutschland die Rüstungs- und Energiepolitik grundsätzlich in Frage zu stellen. Und auch unser Eingebundensein im Konsummodell „Deutschland“ zu reflektieren und realistische Auswege zu suchen. Da sollten wir nicht kneifen! (...)

Richard Pestemer, Neunkirchen (BRD