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DDR rüstete Irak für Giftgaskrieg

■ NVA-Offiziere bauten einen Übungsplatz für ABC-Waffen in der Nähe von Bagdad auf und gaben den Irakern Tips für den Chemiekrieg / Weitere Ermittlungen gegen BRD-Firmen eingeleitet

Berlin (taz) - Auch die Nationale Volksarmee der DDR (NVA) hat bei den Kriegsvorbereitungen des Iraks ihre Finger im Spiel gehabt. Vier NVA-Offiziere leiteten bis Anfang der achtziger Jahre den Aufbau eines ABC-Waffen-Übungsplatzes in der Nähe von Bagdad, berichtet der 'Spiegel‘ in seiner neusten Ausgabe. Die mehrere Quadratkilometer große Anlage wurde von irakischen Baufirmen nach dem Vorbild eines Manöverfeldes im brandenburgischen Storkow erstellt. Ein Spezialgebäude mit Gleisanlage für die Entseuchung von Fahrzeugen und ein Kommandoturm zum Orten radioaktiver Gammastrahlen wurde unter NVA-Anleitung in den Wüstensand gesetzt.

Aber auch ausbildungsmäßig griffen Ostberliner Militärs den Irakern unter die Arme: Die Experten für chemische Kriegsführung, unter anderem auch der Leiter der ABC-Abwehr Karl-Heinz Nagler, unterrichteten Husseins Soldaten im Umgang mit Spezialgeräten zur Erkennung von chemischen Kampfstoffen und radioaktiver Strahlung. Mit Fragen nach chemischer Kriegsführung wandten sich Husseins Militärs auch mehrfach direkt an die NVA, berichtete Oberst Rolf Büttner vom Ostberliner Verteidigungsministerium. Kampfstoffe hätten die DDR-Experten bei ihren Einsätzen nicht im Gepäck gehabt.

Auch Staatssekretär Bertram Wieczorek hatte in einer Fragestunde der Volkskammer im April bestritten, daß die DDR chemischen Substanzen an den Irak geliefert habe. Seit 1988 hielten sich nach seinen Angaben keine Ausbilder aus der DDR mehr im Irak auf, die vor allem als Sporttrainer und Ausbilder für Kampfschwimmer bei den irakischen Streitkräften eingesetzt waren. Die 'Welt am Sonntag‘ berichtet hingegen, daß die Zusammenarbeit der NVA mit Irak bis heute fortbesteht. In einer „Dschungel-Kampfschule“ auf Rügen sollen neben Libyern und PLO-Anhängern auch irakische Offiziere ausgebildet werden. DDR-Abrüstungsminister Rainer Eppelmann bestritt die Schulung von Irakern durch die NVA und drohte rechtliche Schritte gegen die Zeitung an. Ab Montag sollen außerdem keine Palästinenser mehr am Schulungsprogramm der NVA teilnehmen.

Letzte Woche hatte Eppelmann von der Liefereung von 24 Brückenlege-Panzern an Irak berichtet. Die Verträge hierüber seien von den früheren SED-Regierungen von Willi Stoph und Hans Modrow geschlossen und von der Außenhandelsfirma ITA abgewickelt worden. Die jetzige Regierung sei erst in der Vorwoche auf diesen Fall gestoßen. Vier Offiziere müssen ihre Uniform an den Nagel hängen, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Eppelmann hat der NVA verboten, weitere Waffengeschäfte zu tätigen; Ausnahmen bedürften seiner Genehmigung.

Auch die BRD-Staatsanwälte bekommen ständig neue Hinweise auf Verstrickungen bundesdeutscher Firmen in Rüstungsgeschäfte mit dem Irak. In Düsseldorf wird jetzt laut 'Spiegel‘ gegen die Export-Union GmbH ermittelt, die unter dem Verdacht steht, Husseins Regime mit Spezialstahl für Nukleartechnik versorgt zu haben. Auftraggeber sei die Technical Corps for Special Projects in Bagdad gewesen; dahinter verbirgt sich eine Sonderabteilung für streng geheime militärische Vorhaben, die direkt Hussein unterstellt ist.

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