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Zur Untermiete im Doppelbett, rechts

■ Studentische Wohnungsnot treibt erste Herbstblüten

Maria Glinka vom Studenten werk in Bremen verfügt über einen reichen Anekdotenschatz, angehäuft in langjähriger Tätigkeit als Wohnungsvermittlerin. „Da war einmal ein Mann in Findorff, der wollte unbedingt einen hübschen, großgewachsenen Studenten als Mieter. Als ich dann ein bißchen nachgefaßt habe, stellte sich heraus, daß er eine Ein-Zimmer-Wohnung mit einem französischen Doppelbett bewohnte.“ Andere Vermieter versuchen es mit zwei bis drei Betten pro Zwölf -Quadratmeter-Butze („Wie? So anspruchsvoll sind die Studenten heute?“) oder lassen sich mit fünfstelligen Summen ihre Baukassenebbe beheben: Die 10.000 Mark können dann von den KommilitonInnen „abgewohnt“ werden.

Der Hintergrund für diese Form des „StudentInnenmißbrauchs“ (Glinka) ist die akute Wohnungsnot, die zusätzlich zu ihrem prächtigen Wuchs während

des Jahres zu jedem Wintersemesterbeginn späte Blüten treibt. Im kommenden Oktober werden an den Bremer Hochschulen 5.000 neue Studierende erwartet, von denen etwa 35 Prozent (1.750) derzeit noch irgendwo zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen wohnen.

Insgesamt werden dann über 20.000 KommilitonInnen das Land Bremen bevölkern. Ihnen kann das Studentenwerk derzeit 812 Wohnheimplätze zur Verfügung stellen. Studien -NeueinsteigerInnen haben hier allerdings

kaum eine Chance: „Zur Zeit haben wir bei den Wohnheimplätzen eine Fluktuation von gerade mal 10 Prozent pro Jahr“, erläutert Studentenwerk-Geschäftsführer Christian Rohlfing.

Wer es sich mangels Alternativen nicht leisten kann, 12 bis 24 Monate Wartezeit für ein Zimmer von 14 Quadratmetern (Warmmiete 180 Mark) in Kauf zu nehmen (Rohlfing: „Bremer nehmen wir überhaupt nicht mehr, die wohnen fast ausschließlich noch zu Hause“), kann vom Studentenwerk mit viel Glück an freie An

bieter vermittelt werden. Etwa achthundert Adressen sind es, die das Studentenwerk alljährlich auf dem harten Wohnungsmarkt loseisen kann, trotz der Konkurrenz von mietgewinnträchtigen Asylsuchenden und AussielderInnen (Tagesmiete: 20 Mark pro Person). Der Durchschnittspreis Warmmiete für ein solches Einzelzimmer liegt derzeit bei 350 Mark, Tendenz: rasant steigend.

Dabei äußern VermieterInnen dem Studentenwerk gerne auch Sonderwünsche: Die eine will auf keinen Fall einen Öko, der nächste braucht jemanden, der sich für eine flotte Wochenendsause als Babysitter einspannen läßt, die dritte will am Wochenende ihre Ruhe haben und bevorzugt PendlerInnen, der vierte steht auf Nichtraucher. „Etwa zu zwei Dritteln werden Frauen als MieterInnen gewünscht“, weiß Maria Glinka. „Die Leute glauben immer noch, daß Frauen sauberer sind und ihr Zimmer besser aufräumen.“

Das Studentenwerk kann zu siebzig bis achtzig Prozent auf Stammkundschaft zurückgreifen. „Wir haben noch nicht eine einzige Vermittlung rückgängig machen müssen, obwohl wir es anbieten, wenn es Schwierigkeiten geben sollte zwischen Mieter und Vermieter“. Maria Glinka ist auf diese Quote besonders stolz, denn sie sieht darin ihr Konzept bestätigt, ein persönliches Vertrauensverhältnis zu „ihren“ VermieterInnen aufzubauen. Schwarze Schafe auf der Vermieterseite kommen auf eine ebensolche Liste: „Bei älteren Herren, die unbedingt eine junge Dame als Mieterin wollen, sind wir natürlich vorsichtig. Und auch überhöhte Mieten sieben wir aus“.

Wenn die Hochzeit der Vermittlungen Anfang September beginnt, rechnet das Studentenwerk mit 100 Anträgen pro Beratungstag. Wie der Andrang befriedigt werden soll, ist bisher unklar. „Wir bekommen zwar Ende des Jahres nochmal 81 Wohnheimplätze in der Neustadt, und 1991 soll es weitere 161 geben, doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Christian Rohlfing bedauert die StudienanfängerInnen, die als Erstsemesterübung wohl erst einmal ein mehrwöchiges Survivaltraining auf dem Unicampus absolvieren müssen. Markus Daschne

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