: „Wartelistenkinder“ ab in den Osten?
■ Der Ostberliner Bildungsausschuß beriet gestern über die Nutzung von Ostberliner Kindergarten- und Krippenplätzen durch Westberliner Kinder und über die Finanzierung der Schulspeisung
Berlin. Höchstens 1.000 Westberliner Kinder sollen ab 1. September in Ostberliner Kindergärten aufgenommen werden. Dies geht aus einer Stellungnahme der Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Familie hervor, die gestern in der Beratung des Bildungsausschusses der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung verlesen wurde. Die Stellungnahme bezieht sich auf einen Antrag der Parlamentsfraktionen CDU/DA und SPD, nach welchem der Magistrat die mögliche Nutzung von freien Kindergarten- und Kinderkrippenplätzen durch Westberliner „Wartelistenkinder“ prüfen solle.
Zwar wird in dem Senatspapier betont, daß die Belegung nicht zu Lasten der Ostberliner Kinder gehen dürfe, jedoch sind bedeutende Summen für die leere Magistratskasse im Spiel. Bildungsstadtrat Pavlik sprach gestern von insgesamt zwei Millionen D-Mark, die der Senat für die Aufnahme von Westberliner Kindern an den Magistrat zahlen wolle. Ob beide Seiten schon eine Vereinbarung unterzeichnet haben, könne nicht er, sondern nur der Familienstadtrat Hempel beantworten. Ebenso die Frage eines Ausschußmitgliedes der Fraktion Liberale/DSU, ob der Senat die Differenz zwischen dem an den Magistrat gezahlten Geld (nach Aussage Pavliks je Kindergartenplatz 500 Mark) und der von den Eltern eingezahlten Summe (nach Pavlik 500 bis 700 Mark) selbst einstreiche. Heute berate der Ausschuß für Familie, Jugend und Sport über diese Fragen.
Pavlik informierte die Ausschußmitglieder über eine Regelung der Bildungsverwaltung zur Finanzierung der Schülerspeisung im kommenden Schulhalbjahr. Danach bezahlen die Eltern zwei DM je Portion. Zahlungsermäßigungen und -befreiungen von seiten der Magistratsverwaltung für Bildung gebe es nicht mehr, erklärte Pavlik. Zuschüsse für soziale Härtefälle würden künftig von der Verwaltung Soziales gezahlt. Allerdings mußte Pavlik zugeben, daß es noch keine Kriterien gibt, nach denen entschieden wird, wer solche finanzielle Zuwendungen erhalte. Diese müßten erst vom Sozialstadtrat, dem Familienstadtrat und ihm als Bildungsstadtrat festlegt werden.
Über den vom Bildungsstadtrat mitgebrachten Entwurf eines Schulverfassungsgesetzes für Ost-Berlin will der Ausschuß am Donnerstag beraten. Pavlik war mit seiner Ausarbeitung vom Stadtparlament beauftragt worden. Der Entwurf enthalte Grundzüge der Westberliner Schulverfassung und berücksichtige zugleich die hiesige Situation. Seine Priorität liege im Freiraum für Schüler, Lehrer und Eltern, an der Gestaltung der Schule mitzuwirken. Pavlik will das Papier nach der Diskussion in Ausschuß und Parlament bereits Anfang September in allen Schulen zu Zehntausenden verteilen. Für eine öffentliche Diskussion habe er zu zwei Terminen die Kongreßhalle gemietet. Er halte die Gültigkeit ab Ende September für möglich.
su
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen