: Deutschland, Deutschland über-all...
■ betr.: Tagesthema "Rudert Kohl vom Wolfgangssee an den Golf?", taz vom 16.8.90
betr.: Tagesthema „Rudert Kohl vom Wolfgangsee an den Golf?“, taz vom 16.8.90
Soll die Bundesrepublik doch aus der Nato austreten und, wenn sie schon dabei ist, auch aus der Westeuropäischen Union, dann ist die militärische Neutralität des geeinten Deutschlands wenigstens erreicht, und Feldherr Kohl könnte seine Truppen in das arabische Gemetzel schicken, womit er dann endlich seine endgültige Stärke der gesamten Welt beweisen könnte, so daß er auch ja in den zukünftigen Geschichtsbüchern profiliert wird, und den USA als allmächtiger, omnipotenter Weltpolizist von Geldes Gnaden mit ambestenwissendem Überintellekt nicht mehr nachstehen würde, wäre da nicht noch das Dilemma, daß er dann einzugestehen hätte, daß seine Bundeswehrarmee nun doch, wie von den Friedensbewegungen immer gesagt, zum Angriff auf ein Land benutzt wird, das keinen Grund zur Verteidigung all unserer Freiheiten und lebenswichtigen Werte und materialistischen Errungenschaften liefert, außer natürlich der Irak ist plötzlich zur deutschen Kohlonie geworden, da die Annexion ja auch wieder gerade mal in ist, und muß deshalb gegen die Eindringlinge auf dieses unsere heilige Land verteidigt werden.
Helmut vor Kriegsminister, yeah, yeah, yeah.
Falk Wolf Schneider, Hamburg (BRD
Jetzt schickt er unsere Jugend in den Krieg wie weiland...
Damals ging es um die Eroberung neuen Lebensraums, zig Millionen Tote auch durch Giftgas waren die Folge. Völkermord!
Und heute? Geht es nicht auch heute den Industrieländern bei dem Golfkonflikt darum, den Zulus, Kaffern, Indianern, den falschen Orientalen, kurz allen Heiden dieser Welt zu zeigen, wer hier der Herr im Hause ist? Wer hier das Recht hat, die Atmosphäre zu zerstören, die Meere zu verseuchen und den Boden auszuplündern?
Dazu brauchen wir diese Länder, als Rohstoffleibeigene für den Zehnten, als Müllkippe, als Arbeitskräftelieferanten, als Versuchsfeld für Gifte, die bei uns schon längst verboten sind und nicht zuletzt als Abnehmer unserer, mit ihren Rohstoffen hergestellten Produkten zu überhöhten Weltmarktpreisen. Die Folge ist eine permanente Abhängigkeit. Völkermord? Wir waschen unsere Hände in Unschuld.
Iran und Irak im Krieg - laßt die verrückten Moslems sich doch die Köpfe einschlagen -, kann uns doch nur recht sein. In der Realität jedoch Folge früherer Kolonialpolitik und unserer Gier nach Öl.
Nicht zwei, sondern drei Fliegen mit unserer großen Klappe haben wir geschlagen. Waffen an beide, billiges Erdöl von beiden und nachdem eine Million tot waren und alles zerstört, darf West wie Ost aufbauen „helfen“.
Wo blieb da die hehre Moral der edlen Ritter für den Weltfrieden, wo blieb der Aufschrei wegen der Toten, der durch Giftgas getöteten Kurden. Aber ob Giftgas oder Napalm, was ändert das am Tod? Wo blieb er bei den Gemeuchelten von Indianerland, Aboriginesland, Guatemala, Korea, Algerien, Vietnam, in Chile, Argentinien, Falkland, Grenada, El Salvador, Südafrika, Panama...? Es gab sie nicht, die Moral, und es gibt sie auch heute nicht.
Wir sind zutiefst unmoralisch und egoistisch, und unser Planet, unser Umgang mit anderen Menschen, den Tieren und der Erde, spricht Bände.
Und es geht uns nur darum, weiter bequem und satt durch unsere Bezinkutschen Giftgas produzieren zu dürfen möglichst billig -, unsere Freunde und Befreier werden es schon richten, mit unserer Hilfe. Unsere Jungs dürfen nun endlich mal wieder zeigen, was sie drauf haben.
Und das alles lassen wir uns doch nicht von dem kleinen Irren, den wir zwar gezüchtet haben, aber der wohl ein bißchen frech geworden ist, vermiesen. Wir wählen lieber den großen Irren vom Wolfgangsee oder vielleicht den Genießer von der Saar, gepaart mit dem HWG-verdächtigen adligen Miethai.
Am 2. Dezember sind wir wieder wer! Millionen Knobelbecher und Mütter schicken ihre Söhne mal wieder in den Krieg. But
-we are the champions!
Claus Hoser, Frankfurt am Main (BRD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen