Konkursverwalter aus dem Herbst 1989

■ Die Verhandlungen von Grünen und DDR-Bürgerbewegungen auf ihrem Tiefpunkt

Bürgerbewegung, Basisvertretungen, Herbst 1989 wohlklingende Worte führen die DDR-Gruppierungen zu ihrer eigenen Charakterisierung ins Feld, die derzeit mit den West -Grünen um die Kandidatur bei den gesamtdeutschen Wahlen verhandeln. Und die West-Grünen, die mit ihrer eigenen Entwicklung hin zu einer normalen politischen Partei hadern, sind von den Etiketten so beeindruckt, daß sie eine vordergründig „gleichberechtigte“ Stimmenverteilung akzeptiert haben: Zwei Stimmen haben die Grünen der Bundesrepublik bei den Verhandlungen, insgesamt zwölf die sechs DDR-Gruppierungen.

Vor Monaten erhofften sich die West-Grünen von den Bürgergruppen basisbewegte Impulse. Die Zeiten sind längst vorbei. Inzwischen sind die DDR-Gruppierungen in ihren taktischen Winkelzügen, mit denen sie ihre Konkurrenz in den zentralen Verhandlungen in Berlin austragen, auf demselben Niveau angekommen, für das die West-Grünen zehn Jahre gebraucht haben. Die Zeiten, in denen die Bürgerbewegungen auf den Straßen der DDR eine Rolle gespielt haben, sind längst vorbei. Ohne die aus alten Zeiten in Aufmärschen erfahrene PDS-Basis traut sich keine der neuen Gruppen, zu einer Demonstration aufzurufen. Wenn die Bauern die Straßen blockieren oder Arbeiter um ihre Arbeitsplätze kämpfen - an die Bürgerbewegungen denken sie dabei nicht. Für die Eigentumsrechte der DDR-Bürger, für die Fristenregelung auf der Straße sind die Verfechter der Basispolitik kaum zu finden. Dafür ist das Sammelbündnis „Neues Forum“ im Bereich der kommunalen Verwaltungen vielfältige Bündnisse eingegangen und verwaltet das Ende der DDR mit.

Eine politische Idee für das neue Deutschland haben die Kräfte des Herbstes 89 nicht entwickelt. Der Entwurf einer Wahlplattform für die „Grünen/Bündnis90“ ist aus dem Zettelkasten alter Forderungen der West-Grünen gespeist, kaum ein Nebensatz ist über vierzig Jahre DDR und das Ende der Ost-West-Konfrontation eingeflochten. Was sollten sie auch sagen? Zwischen der „Vereinigten Linken“ und „Demokratie Jetzt“ gibt es keine Gemeinsamkeit - außer dem nostalgischen Rückblick auf die verpaßten Chancen. Nicht einmal die Frage, warum man im Herbst 1989 so naiv sein konnte, an eine authentische Erneuerung der DDR zu glauben, wird diskutiert. Der Postenschacher um die sicheren Listenplätze ist deshalb die angemessene Konkursverwaltung der Bürgerbewegungen der DDR.

Klaus Wolschner