: Zeitgemäß disponiert
■ Gabriel Salomon in der Galerie Schoen
Gabriel Salomon habe in einem Haus sehen und sprechen gelernt, in dem Bilder und Skulpturen des 18. Jahrhunderts und der klassischen Moderne zur natürlichen Umgebung gehörten. Sie waren selbstverständlich, erzählt die Galeristin. Und Salomon selbst bestätigt: „Kunst und Leben ist für mich so ziemlich das gleiche.“ Theoretisch ist das fast schon eine postmoderne Sozialisation; praktisch nicht. Praktisch weiß in einem solchen Haus jeder, daß Regenschirm und Nähmaschine einen anderen Wert besitzen als eine Komposition von Mondrian oder ein Merzbild von Schwitters. Unmerklich prägen sich die Differenzen ein.
Jetzt spielt der 1943 in Buenos Aires geborene Salomon mit konventionell gewordenen Stilrichtungen, disponiert mit den Bildkonzepten der Moderne und ordnet sie in Kästen. Sie ermöglichen ein Spiel für Kenner. Kleines Rigorosum: Wer war der Experte für hell verstreute Bildflecken? Monet! Wer brachte Gelb-Blau -Kontraste wie Blendwerk zum Leuchten? Van Gogh! Wer weißelte die Leinwand einfach zu? Malewitsch! Und Rymann und Girke noch immer! Wer bevorzugte quadratische Raster? Mondrian! Wer war das mit den Stöcken und Kugeln? Picabia! Schwitters!, den Kästen? Picabia! Schwitters!, den Zitaten? Picabia! Schwitters! Und das schon in den zwanziger Jahren.
Die Arbeiten dieser Künstler bilden das Form- und Farbvokabular, mit dem Salomon artikuliert. Die Kunstgeschichte ist sein Diapositiv. Salomon artikuliert nicht sich. Er verfügt über eine ausgewählte bildnerische Rhetorik, die er kalkuliert und nach malerischen Gesichtspunkten einsetzt. Die Teile sind heterogen und werden durch eine klare geometrische Anordnung und einem dominanten Farbklang zusammengehalten. Geometrie reguliert den Raum (der Kästen), übergreifende Farben überspielen die Verschiedenartigkeit der Einzelteile. So entgeht Salomon jedem Risiko. Die Bildkästen sind kohärent.
Salomon hat offenbar die Lektionen der Postmoderne begriffen und bietet eine leichte, streng organisierte Variante. Kunst ist Spiel und Spannung. Das Spiel ist geregelt. Die Spannung entsteht durch Assemblage von Diversem. Eine Wundertüte von alten Hits. Ein Medley mit leichten Abweichungen. Salomon verzichtet auf Handschrift, Stil, eigene Bildkonzeption. Er stenographiert Bildkonzeptionen vom Anfang dieses Jahrhunderts.
Und es ist allein die Kunstgeschichte, die ihn zu interessieren scheint. Unzusammenhängende Alltagserlebnisse, die plötzlich durch eine bestimmte Konstellation Ereignis werden, die Poesie des Heterogenen im Alltag, deren Schönheit Ergebnis eines zufälligen Zusammentreffens ist, diese Notwendigkeit aus Willkürlichem kommt bei Salomon vom Blickpunkt der Gegenwart - nicht zur Geltung. Er müßte sich an den Regenschirm und die Nähmaschine erinnern, die Lautreamont in der Vorstellung auf einem Seziertisch arrangiert hatte, um für die Schönheit eines jungen Mannes eine Entsprechung zu finden, und der damit zum Vorbild aller wurde, die das Bizarr-Disparate zu einer neuen Notwendigkeit zusammenfügten. Aber Salomon kümmert sich nicht um Voraussetzungen. Ihm genügen Oberflächenarrangements. In diesem Sinne ist er zeitgemäß.
Peter Herbstreuth
Gabriel Salomon, Galerie Schoen, Mommsenstraße 62, Berlin 12. Di. bis Fr. von 14 bis 19, Sa. von 11 bis 15 Uhr, bis 25. August.
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