: Gebratene-Tauben-Kultur
■ Hans Grothe, Bremer Bauherr, schenkt seiner modernen Kunstsammlung ein Zuhause in BHV
Im Grunde genommen könne sie es noch gar nicht glauben, sagt Anne Schmeckies, Vorstandsmitglied im Bremerhavener Kunstverein, der seit zwei Jahrzehnten gegen alle örtlichen Anfechtungen für die Gegenwartskunst eintritt. Daß der Bremer Bauherr und Kunstsammler Hans Grothe einen Großteil seiner Sammlung zeitgenössischer deutscher Kunst in einem eigens zu errichtenden Museum in Bremerhaven zugänglich machen will, ist für sie „ein Geschenk des Himmels“. Im geplanten Avantgarde-Museum sieht sie nicht nur eine Bestätigung der bisherigen Arbeit des Kunstvereins, sondern eine attraktive Image-Werbung, die der Stadt besser an
stünde als unausgegorene maritime Tourismuskonzepte. Sie begrüßt besonders, daß Hans Grothe für den Museumsbau eine internationale Ausschreibung plant, um dem Bauwerk nahe der Geeste auf dem Gelände der ehemaligen Rickmers-Werft die gleiche architektonische Qualität zu sichern wie dem Alfred -Wegener-Institut für Polarforschung und der Bremerhavener Hochschule.
Das Kunstmuseum soll 4000 qm Ausstellungsfläche haben und aus mehreren Pavillons bestehen, die von den ausgestellten Künnstlerm selbst eingerichtet werden sollen. Zur Sammlung Grothes gehören u.a. Baselitz, Lippertz,
Immendorf, Palermo, Penck, Polke, Richter und Joseph Beuys. Grothe will etwa 100 Werke als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen und den auf 25 Mio. DM geschätzten Museumsbau finanzieren, der in einem Areal von 100 000 Quadratmetern von einem Skulpturenpark umgeben sein soll.
In seltener Einmütigkeit ziehen Magistrat, PolitikerInnen und KulturaktivistInnen an einem Strang: Bürgermeister Heinz Brandt spricht von einem besonderen Akzent in der neueren Stadtentwicklung, die SPD will den Bau des Museums „so schnell wie möglich“, die FDP sieht darin den „größten kulturellen Gewinn seit der Gründung des Deutschen Schiffahrtmuseums“, die GRÜNEN sprechen von einem „Glücksfall in der Geschichte der Kultur und Wirtschaftspolitik“ Bremerhavens, der alle bisherigen Bemühungen der Tourismusförderungsmittel
in den Schatten stelle. Der grüne Wirtschaftsdeputierte Manfred Schramm möchte die Wirtschaftsförderungsmittel auf das geplante Projekt konzentrieren. Horst Grützner, unabhängiger Stadtverordneter und Querdenker, sagt zum Museum: „Toll ohne Zweifel. Ich habe erst aufs Datum geguckt, ist das der 1. April oder nicht.“ Der schönste Museumsbau nütze allerdings nichts, wenn nicht gleichzeitig die kleine Kunstszene am Ort gefördert werde. Für die Stadt ist das unerwartete Geschenk nicht billig, gerechnet wird mit jährlichen Unterhaltskosten von 1 Mio. DM. Nach dem Desaster mit dem halbgaren Museums-Projekt des Designers Colani im letzten Jahr herrscht in Bremerhaven offensichtlich Einigkeit: Die bisher wenig geliebten Künstler sollen kommen. Die Avantgarde als Wirtschaftsfaktor, das erweicht selbst die Herzen der Kunstbanausen. h
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