: Sowjetische Kreditwünsche an die BRD
■ Springer-Zeitung 'Hamburger Abendblatt‘ veröffentlicht vertraulichen Vertragsentwurf der UdSSR
Hamburg (dpa/taz) - Das 'Hamburger Abendblatt‘ hat in seiner Mittwochsausgabe Einzelheiten über einen noch als vertraulich behandelten sowjetischen Vertragsentwurf veröffentlicht, der Kreditwünsche und Finanzbeihilfen für die Abwicklung des sowjetischen Truppenabzugs aus Deutschland enthält. Der Vertragsentwurf bezieht sich auf Zusicherungen, die die Bundesregierung vor den Gorbatschow -Kohl-Gesprächen gemacht hat. Der Entwurf faßt vermutlich Vorstellungen der Sowjetunion zu einem deutsch-sowjetischen „Generalvertrag“ und die speziellen Finanzprobleme der „Westgruppe“ der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland zusammen. Die sowjetische Seite scheint demnach die Kosten für die Truppen, die noch für insgesamt vier Jahre in Deutschland bleiben werden, auf 2,5 Milliarden DM zu beziffern. 1,5 Milliarden DM sollen als langfristiger, zinsloser und staatlich garantierter Kredit von der BRD gegeben werden, den die Sowjetunion durch Verpachtung oder Verkauf sowjetischen Eigentums in der DDR tilgen will. Die restliche Milliarde soll in „direkter Hilfe“ bestehen. Mit deutscher Unterstützung will die UdSSR auch das Wohnungsproblem für die heimkehrenden Soldaten lösen. Pro Jahr sollen bis zu 500.000 Quadratmeter Wohnfläche von deutschen Firmen gebaut werden. Vier „Wohnbau-Kombinate“ mit einer Jahresleistung von 100.000 Quadratmetern sollen entstehen - eine gute Nachricht für die DDR-Plattenmafia, der damit ein neues Expansionsgebiet winkt. Die UdSSR besteht auf der Einhaltung von Verträgen, die zwischen der DDR und ihr geschlossen worden sind, fordert den Wegfall von Limitierungen und möchte damit - ohne daß dies direkt angesprochen würde - eine Lockerung der COCOM-Richtlinien.
Im Bericht des 'Abendblatts‘ über den Entwurf ist die Passage rätselhaft, in der die Einhaltung von Verträgen über Rüstungsgüter gefordert wird, die die DDR abgeschlossen hat. Nach Informationen der DDR-Regierung hat sich die UdSSR bei der einzig wichtigen Fertigung, den Lasergeräten für Panzer, die bei Zeiss-Jena hergestellt werden, darauf verständigt, die Produktionsanlage abzubauen und nach guter, alter Tradition in die Sowjetunion zu verfrachten. Die sowjetischen Forderungen und Wünsche bewegen sich im Rahmen dessen, was auch von deutscher Seite ins Gespräch gebracht wurde. Kein Grund demnach für die Springerpresse, in Panik zu verfallen. Zumal Wirtschaftsminister Haussmann und BRD -Finanzobmann Waigel schon auf dem Weg nach Moskau sind, um die sowjetischen Forderungen zu „deckeln“ (Waigel).
cs
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen