: Antitrustgesetz für Italiens Wirtschaft? Cosa vuol dire?
■ Römische Politiker stellen sich taub, wenn es um die Angleichung an EG-Normen geht / Familienimperien sind das einzige, was halbwegs funktioniert
Aus Rom Werner Raith
Wenn Italiens Ministerpräsident Andreotti etwas von „Trust“ hört, so die Fama, zieht er blitzschnell seine Fledermausohren ein; und wenn ihm auch dann noch einer penetrant mit Fragen nach dem allfälligen Konzernkontrollgesetz auf den Pelz rückt, hat er allenfalls ein „Das hat noch Zeit“, „Jetzt nicht“ oder gar ein „Was is'n das schon wieder?“ auf Lager. „Handlungsbedarf“ jedenfalls sieht er „im Augenblick keinen“ - und dieser Augenblick dauert schon eine ganze Weile.
Tatsächlich findet sich zwar in der Regierungsvereinbarung der fünf Koalititonsparteien - Andreottis Christdemokraten zusammen mit Sozialisten, Sozialdemokraten, Republikanern und Liberalen - von Mitte 1989 eine vage Absichtserklärung in Sachen Wirtschaftskonzentration, vorwiegend unter Bezug auf die „Angleichung der nationalen Gesetze an die Beschlüsse der Europäischen Gemeinschaft“, doch das steht da so ohne jegliche terminliche und inhaltliche Bindung. Der Bezug auf diese Absicht diente denn bisher auch vornehmlich dazu, Angriffe auf Trustbildungen abzuwimmeln. Als im Vorjahr beispielsweise die Frage einer Medienmonopolisierung durch den Fernsehzaren Silvio Berlusconi infolge des Überfalls auf den Pressekonzern Mondadori nicht mehr abzuleugnen war, suchte Andreotti im Verein mit Berlusconi -Kumpel Craxi von der Sozialistischen Partei ein Kontrollgesetz just mit dem Hinweis auf das „umfassendere Feld der anstehenden Trustgesetzgebung“ abzuwimmeln - obwohl weit und breit nichts von dem „Anstehen“ einer solchen Legislation zu bemerken war. Das Mediengesetz mußte dann aufgrund des breiten öffentlichen Protestes (und dem Inkrafttreten einiger europäischer Gesamtnormen) doch noch verabschiedet werden - doch es diente prompt als Paradebeispiel dafür, wie Politiker sich den Interessen der Großunternehmen unterordnen.
Tatsächlich ändert das Medienkontrollgesetz - die einzige bisher geltenden Vorschrift über die Limitation von Trusts nichts an der derzeitigen Situation: Berlusconi darf alles behalten, was er hat (alle drei privaten landesweit ausstrahlenden TV-Ketten), muß lediglich seinen Anteil an der eh nicht allzu großen Tageszeitung 'il Giornale‘ etwas reduzieren, kann aber sowohl im Spotgeschäft wie bei den Magazinen und Periodika noch erheblich zulegen.
Treffend bemerkte ein Altmeister der Kapitalismuskritik, der Gewerkschaftstheoretiker Vittorio Foa, daß „man in Italien schon gleichzeitig ein total anderes Gesellschaftssystem wollen muß, wenn man eine echte Konzernbegrenzung durchsetzen möchte“. Die Probleme belegen, wie schwierig es ab 1992 mit der Vereinheitlichung der Normen im Gesamteuropa werden wird.
Ein stringentes Antitrustgesetz, das den Namen verdient, würde Italiens derzeitige Wirtschaftskapazität kaum überstehen. Das ergibt sich aus einer ganzen Reihe von Fakten: Einmal ist da die Tatsache, daß zu dem wenigen, was in Italien einigermaßen funktioniert, derzeit das Management der Trusts gehört. Der Fiat-Konzern mit seinen fast 250.000 Angestellten und seinem Umsatz nahe 80 Milliarden D-Mark, der Elektronikriese Olivetti, das Agrarimperium Ferruzzi, der Gummi- und Kunststoffgigant Pirelli sind nicht nur Gütezeichen des Landes und Symbole eines modernisierten südeuropäischen Kapitalismus, sondern bringen mit ihren Waren und dem exportierten Know-how mittelbar und unmittelbar nahezu 40 Prozent des nationalen Bruttosozialproduktes ein. Zweitens handelt es sich bei den Trusts, anders als in anderen europäischen Ländern, nahezu ausschließlich um Familienkonglomerate, die noch dazu von Familienmitgliedern gemanagt werden: die Agnelli (Fiat), De Benedetti (Olivetti), Gardini (Ferruzzi), Pirelli sind gleichzeitig Eigentümer und Präsidenten oder Generalmanager der betreffenden Konzerne, die leitenden Funktionen werden von Brüdern, Schwester, Neffen, Schwägern oder jedenfalls der Familie seit langem verbundenen Personen ausgeübt. Eine Entflechtung der Konzerne, hat eine Analyse des Wirtschaftsmagazins 'Italia oggi‘ festgestellt, würde nicht nur eine „schwer bewältigbare Konfusion durch immer unklarere wechselseitige Beziehungen und Substrukturen“ heraufbeschwören, sondern, dritter Punkt, auch schon sehr bald „an die überaus dünne Decke fähiger Manager auf Europaniveau stoßen, die das Land besitzt“ - es gibt schlichtweg nicht genügend Leute, die die zerteilten Firmen danach führen könnten.
Die Konsequenz daraus wäre wohl der Rückgriff auf einen Weg, den Italien bisher immer gegangen ist, wenn auf dem Privatsektor Unwetter heraufzogen - die Übernahme in Staatshand, wie das mit der Stahl-, der Petroindustrie und der chemischen Industrie geschehen ist. Genau diese Lösung aber hat sich langfristig als ausgesprochen kontraproduktiv erwiesen: Nur allzu schnell wurden die Management- und Führungsstellen zur Parkfläche für abgehalfterte oder in Wartepositionen verschobene Parteigrößen und Funktionäre: Regierungsneubildungen, ja oft auch nur ein Wechsel in der Führung einer Partei, hatten in Italien regelmäßig auch ein umfassendes Bäumchen-wechsle-dich-Spiel der Topmanager von Staatsfirmen im Gefolge. Da man so die Geschäfte bald in hoffnungslose Schieflagen manövriert hatte, kam der Ruf nach „effizienz„-heischender Konzentration. Folge: Die größten aller italienischen Trusts bilden die Staatskonzerne, Eni, Iri, Italstat; sie beschäftigen zusammen mehr als eine halbe Million Menschen, weisen einen Gesamtumsatz von mehr als 100 Milliarden D-Mark auf. Doch auch da liegt so ziemlich alles schief, und so begann Mitte der achtziger Jahre die Reprivatisierung. Die aber geriet wieder so stümperhaft, daß der Staat noch immer kräftig zuzahlt, wenn Geld fehlt, aber nichts einstreicht, wenn gute Jahre kommen. So verschaffte sich der Ferruzzi-Konzernherrscher Raul Gardini im Handstreich über die an ihn verkauften Anteile am Montedison -Konzern hinaus die Kontrollmajorität des Chemieriesen und feuerte unverzüglich den vom Staat bestimmten Generalmanager. Dann ließ er die Politiker glauben, er sei an einer paritätischen Fusion des in Staatshand verbliebenen Chemierests der Eni-Holding interessiert - als der Vertrag vorlag und der neue Chemiegigant mit dem Namen Enimont stand, wies Gardini Papiere vor, die ihn zum alleinigen Führer der Firma auswiesen. Die Gerichte gaben ihm Recht.
Die Forderungen nach einem Antitrustgesetz beschränken sich in Italien allenfalls auf Sticheleien durch Presseorgane bei denen meist vordergründige Interessen zu erkennen sind, da auch die Zeitungen in Italien voll ins Geschäft integriert sind. Landet De Benedetti mit seinem Olivetti -Konzern einen Coup, der den anderen Ökonomiefürsten nicht paßt, bringen 'La Stampa‘ - sie gehört Agnelli - und 'il Giornale‘ (Berlusconi) oder 'il Messaggero‘ (Gardini) die „bald zu realisierenden EG-Normen“ ins Spiel (so beim Versuch De Benedettis, die belgische Societe Generale zu übernehmen); geht Berlusconi in die Offensive, wettern 'L'Espresso‘ und 'Panorama‘ (De Benedetti) und mitunter 'la Stampa‘ dagegen - und so weiter.
Dem Normalitaliener ist all das herzlich egal - und das ist der vierte hinderliche Punkt für die Durchsetzung von Antitrustnormen. „Im Grunde“, erkannte schon vor zehn Jahren angesichts zunehmender Streikunlust seiner Gefolgsleute der Gewerkschaftsobere Luciano Lama, „bewundern die Menschen hier ja die erfolgreichen Familienunternehmen.“ Und unumwunden gibt 'il manifesto‘ zu: „Es ist ja auch schwierig, den Leuten zu erklären, warum man ausgerechnet das zerschlagen soll, was mirakulöserweise bei all dem Chaos in unserem Land noch einigermaßen funktioniert.“
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