: Obskurer Einbruch bei der Stasi-Firma Interport
■ Wurden am Donnerstag Tresore aufgebrochen oder nicht? Werner Fischer, Sonderabteilungsleiter des Innenmagistrats, vermutet fingierte Tat / Erste Strafanzeige wegen Verdachts auf Bereicherung „in Richtung“ Stasi-Auflöser Eichhorn
Prenzlauer Berg. Die einstige Firma Interport Industrievertretungen, jetzt Niederlassung der Computer Vertriebs-Union (CVU) und bis vor kurzem eine Tarnunternehmung der Stasi (s. taz vom 17. und 21.8.), hat am Donnerstag ungebetenen Besuch bekommen. Bisher noch unbekannte Täter drangen in die Geschäftsräume ein; das Mobiliar wurde teilweise beschädigt. Die Kripo ermittelt derzeit, ob es sich bei dem Vorfall um Einbruch handelt. Werner Fischer, Leiter der Sonderabteilung in der Magistratsverwaltung für Inneres, hält das Geschehen für einen „fingierten Einbruch“. Gegenüber der taz erklärte er, daß „zwei unversiegelte Panzerschränke, die bisher noch nicht geprüftes Aktenmaterial enthalten“, beschädigt worden seien.
Um Devisen zu beschaffen, hatte die Interport jahrelang kostbare Oldtimer in den Westen exportiert. Außerdem fungierte die Stasi-Tarnfirma als Beschaffer von West -Elektronik. Der ehemalige Geschäftsführer und Stasi -Oberstleutnant Gottfried Gietl muß demnach über gute Kontakte zu Lieferanten in der Bundesrepublik verfügt haben
-und deren Exporte in die DDR dürften gegen die Cocom -Bestimmungen verstoßen haben, die die Ausfuhr westlicher Hochtechnologie in die DDR unter Strafe stellen.
Im Mai 1990 erstand Robotron, seinerzeit noch ein Kombinat, die Immobilie in der Straßburger Straße 39-40 im Stadtbezirk Prenzlauer Berg. Kaufte sie neben dem Gebäude gleichzeitig Gietl und seine West-Kontakte ein? Hartmut Ewert, Geschäftsführer der CVU, verneint diese Frage. Bereits seit November vergangenen Jahres bemühe sich die CVU, Nachfolgerin des einstigen Robotron-Vertriebs, erfolgreich um eigene Handelspartner. Zuvor hatte das VEB Robotron Zella -Mehlis zumindest einen Teil der heißen Westware abgenommen.
Da Gietl ein ausgewiesener Fachmann im Oldtimer-Geschäft sei, sollte er auf jeden Fall noch die Verkäufe der verbliebenen 61 Fahrzeuge vornehmen. Und danach? Ewert scheint sich mit dem Gedanken nicht recht anfreunden zu können, den Oberstleutnant auf die Straße zu setzen. Nach damaligen Maßstäben hätte der Mitarbeiter „ehrenhaft“ gehandelt, verteidigt er Gietl.
Der Kauf des Gebäudes im Hinterhof erfolgte auf Betreiben des ehemaligen Robotron-Kombinatsleiters Friedrich Wokurka. Er delegierte den Auftrag an Ewerts Vorgänger, Manfred Schröder. Ewert interpretiert diese Weisung als das Bestreben von Robotron, „das eigene Profil zu erweitern“. In das neue Geschäftskonzept paßt auf jeden Fall der günstige Kaufpreis: 390.000 (Ost-)Mark hat das ehemalige Kombinat auf den Tisch des Komitees zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit gelegt. Experten schätzen den tatsächlichen Wert auf bis zu zwei Millionen D-Mark.
Die Garagen sind nach Angaben Fischers mit modernen technischen Einrichtungen sowie luxuriöser Sauna und Bar ausgestattet. Fischer vermutet hier einen Fall von persönlicher Bereicherung. Er erstattete zunächst „Anzeige gegen Unbekannt“, konkretisierte sie dann jedoch - nicht Richtung Gietl, sondern „in Richtung des Leiters des Auflösungskomitees“, Eichhorn. Wer im Auflösungskomitee von dem Verkauf gewußt hat, ist noch immer unklar. Der Ostberliner Innenstadtrat Thomas Krüger hatte behauptet, nur Eichhorn sei informiert gewesen, während Eichhorns Pressesprecher Klaus Wendler auf Nachfrage erklärte, auch andere Mitglieder hätten davon gewußt.
Wenn der Einbruch echt war, wären West-Firmen, die mit Interport gehandelt haben, am ehesten verdächtig schließlich war bei einer Durchsuchung in der vorletzten Woche allerlei belastendes Material gefunden worden. Werner Fischer vom Ostberliner Innenmagistrat bleibt davon überzeugt, daß der Bruch fingiert war; die hinterlassenen Spuren sprächen dafür.
Wer profitiert dann von dieser Aktion? Allenfalls Interport -Beschäftigte, die bislang nicht sonderlich belastet waren und nicht selbst in den Verdacht kommen wollen, mit dem Verschwindenlassen von Akten auch die eigene Vergangenheit zu entsorgen. Wird jedenfalls in den mit der Untersuchung befaßten Kreisen spekuliert.
Claudia Wuttke
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