: betr.: Saddam Hussein
Tyrannen herzen gerne Kinder - eine seit den 30er Jahren dem Publikum wohlvertraute Botschaft. Die Manipulation ist so abgebraucht, daß Politiker unserer Hemisphäre kinderliebe Gesten sorgfältig dosieren. Sich den Fernsehzuschauern als König Herodes zu präsentieren, ist dagegen eine absolute Medienneuheit. Das oben abgedruckte Standbild zeigt einen jovial lächelnden Offizier, der den Kopf eines vor Angst vollständig gelähmten Jungen in Richtung Saddam Husseins dreht. Eine Vorbereitungshandlung. Gleich wird der General, bei dieser Gelegenheit in Zivil posierend, sich dem Kind zuwenden und es fragen, ob es genügend Milch und Cornflakes kriegt. Der Junge preßt die Arme an den Körper, eine ohnmächtige Abwehrhaltung. Saddam wird den Eltern erklären: „Wenn die Anwesenden ihre Rolle bei der Verhütung eines Krieges gespielt haben, dann werden sie alle Friedenshelden sein“. Der Griff des Offiziers nach dem Kopf des Jungen entspricht den Worten des Staatschefs. Die Botschaft lautet: Wenn ihr eure Rolle nicht spielt, müßt ihr eben dran glauben. Im Gegensatz zu den kopfstreichelnden Politikern bei uns, die - wenn auch vergeblich - Kinderliebe suggerieren wollen, will Saddam überhaupt nichts suggerieren. Er sagt, ihr seid meine Gäste, meint, ihr seid meine Geiseln und weiß, daß alle wissen, was er meint. Diese Haltung erscheint uns als brutaler Zynismus, den irakischen Militärs hingegen als berechtigtes Element psychologischer Kriegführung. „Wir“ wollen im Einklang mit Völkerrecht und Humanität handeln. Gleichzeitig ist uns klar, daß zwischen den Ansprüchen der westlichen Staaten und den Interessen, die sie im Golf verteidigen, eine Lücke klafft. Aber wenigstens stehen unsere Politiker unter Legitimationszwang
-das ist der Unterschied und er ist kein kleiner.
Ch. Semler/Foto: ap
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