: Botschafter auf verlorenem Posten
■ Ultimatum in Kuwait um eine Nacht verlängert / Irakische Soldaten vor mehreren Botschaften / Keine Einigung im Weltsicherheitsrat / Weitere Truppenentsendungen in den Golf
Washington/London (dpa/ap/afp/adn) - Kurz vor Ablauf des Bagdader Ultimatums zur Schließung der Botschaften in Kuwait spitzte sich gestern die Situtation in der besetzten Stadt dramatisch zu. Nach widersprüchlichen Berichten aus mehreren europäischen Hauptstädten waren am Nachmittag bereits sieben Vertretungen von Truppen umzingelt waren. Danach handelt es sich um die Botschaften Schwedens, Norwegens, Japans, der Bundesrepublik, Ungarns, Rumäniens und Großbritannien. In Bonn wurde die Umstellung der Botschaft in Kuwait nicht bestätigt. Die Sowjetunion hatte ihre Kuwaiter Botschaft bereits evakuiert, da es dort keine Arbeitsmöglichkeiten mehr gebe. In die fieberhaften Vermittlungsversuche im Nahen Osten schaltete sich gestern auch der österreichische Bundespräsident Waldheim ein: Er will Saddam Hussein, den Waldheim aus seiner Zeit als UNO-Generalsekretär kennt, zu einer humanitären Lösung der Geiselfrage bewegen.
Stündlich kamen gestern neue Meldungen über irakische Truppenbewegungen vor den ausländischen Botschaften in der kuweitischen Hauptstadt. Die meisten Länder hatten ihre Vertretungen personell zwar stark ausgedünnt, aber beschlossen, trotz des Ultimatum von Saddam Hussein, ihre Botschafter im Land zu lassen. Die EG beriet gestern in Rom über gemeinsame Maßnahmen, darunter auch die Möglichkeit, die Botschafter ihrer Mitgliedsländer an einen gemeinsamen Ort in Kuweit zu bringen. Der DDR-Botschafter in Kuweit will sich den EG-Maßnahmen anschließen. Nach Meldungen der Nachrichtenagentur ap, wurde das ursprünglich auf letzte Nacht terminierte Ultimatum von der Bagdader Regierung bis heute morgen verlängert.
Unterdessen war Kurt Waldheim gestern unterwegs von Jordanien nach Bagdad, wo er mit Saddam Hussein in persönlichen Begegnungen Hindernisse für eine Rückkehr der Ausländer aus Irak in ihre Heimat auszuräumen. In Washington und Wien stieß die Waldheim-Mission allerdings bereits auf Skepsis, weil befürchtet wurde, der irakische Diktator könne den ersten Besuch eines europäischen Staatsoberhauptes seit Beginn der Golfkrise zu einer neuerlichen gigantischen Propagandaoffensive nutzen.
König Hussein von Jordanien hat am Donnerstag seine angekündigte neue Vermittlungsmission aufgenommen und eine Reise in mehrere andere arabische LÄnder angetreten. Auch der PLO-Vorsitzende Jassir Arafat bereitet eine neue Friedensinitiative vor. Sein Berater Bassam Abu Scharif sagte in einem BBC-Interview, Arafat wolle nach Kontakten mit König Fahd von Saudi-Arabien dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein einen Plan unterbreiten, dessen Kern im Abzug der irakischen, aber auch „der anderen“ Truppen und deren Ablösung durch eine UNO-Truppe bestehe. Vor allem ginge es ihm dabei um Frauen und Kinder.
Der Weltsicherheitsrat hat bis gestern trotz intensiver Verghandlungen im Kreise der fünf ständigen Mitgliedsstaaten noch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt, der auch militärische Aktionen zur Durchstzung des beschlossenen Handelsembargos gegen Irak gebilligt hätte. Offensichtlich will die Sowjetunion keine „übereilten Aktionen“ und fordert mehr Zeit für politische Lösungen des Konflikts. Die Position der Vereinigten Staaten dagegen wurde gestern von mehreren arabischen Monarchien gestützt, die auch die blockfreien Staaten zur Unterstützung der USA im WEltsicherheitsrat aufriefen.
Jordanien hat gestern entschieden, seine Grenze zum Irak wieder zu öffnen, die in der Nacht zum Donnerstag angesichts des Flüchtlingsstroms aus Irak und Kuwait geschlossen worden war. Das wurde beim Innenministerium in Amman bekannt. Allerdings will Jordanien täglich nur 20.000 Menschen aufnehmen. Gestern begann auch eine von der UNO bewilligte humanitäre HIlfe für die Betreuung der Flüchtlinge.Am Wochenende soll auch eine von der EG finanzierte Luftbrücke von Jordanien, wo sich bereits weit über 100.000 Flüchtlinge in teilweise katastrophalen Umständen aufhalten, nach Ägypten eingerichtet werden.
Die Militärkonzentration in der saudischen Wüste ging gestern unvermindert weiter. Großbritannien gab bekannt, daß es seine Präsenz am Golf verstärken will und das amerikanische Verteidigungsministerium machte die erste Verlegung von in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Einheiten in das Krisengebiet publik. Wie in Washington mitgeteilt wurde, handelt es sich um Sanitätseinheiten und Transportflugzeuge vom Typ C-130E „Hercules“. Weitere Details wurden nicht veröffentlicht.
Nach einer Meldung der „Los Angeles Times“ vom Freitag plädieren verantwortliche Mitarbeiter des US -Verteidungsministeriums für einen „entscheidenden“ militärischen Schlag gegen Irak, falls es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen sollte. Die Chefs der Generalstäbe der drei Waffengattungen planen demzufolge, daß eine militärische Aktion gegen Irak von Heer, Marine und Luftwaffe „gleichzeitig, durchschlagend und tödlich“ sein soll. General Michael Dugan, Generalstabschef der Luftwaffe, wies daraufhin, die Vereinigten Staaten würden nicht ohne Provokation angreifen.
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