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Konfliktfeld binationale Scheidung

■ Frauenprojekt IAF in Frankfurt berät jetzt speziell zu Scheidungen / Hilfe besonders für Kinder

Aus Frankfurt Heide Platen

Daß ausgerechnet die „Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen“ (IAF) jetzt die Interessen der Männer vertritt, will Birgit Sitorus so nicht stehen lassen. „Wir vertreten die Interessen der Kinder“, sagte die Psychologin gestern vormittag auf einer Pressekonferenz in Frankfurt. Das neue Projekt der IAF, daß im Juli mit einem erheblichen Zuschuß der Stadt begonnen wurde, mischt sich als objektive Instanz in gescheiterte binationale Ehen ein. Und der schwächere Partner, erläutern die Frauen, ist dabei meist der ausländische Mann. „Gerichte in aller Welt neigen nun einmal dazu, die Kinder bei Scheidungen erstens der Mutter und zweitens dem Partner eigener Nationalität zuzusprechen.“ Deshalb seien diejenigen, die bei der IAF um Rat bitten, vorwiegend ausländische Männer, deren deutsche Frauen ihnen das Besuchsrecht für die Kinder verweigern. Sie kommen von selbst oder werden vom Gericht oder dem Jugendamt in die Räume in der Mainzer Landstraße 147 geschickt. Dort haben die IAF-Frauen ein Spielzimmer eingerichtet und sitzen nebenan, während die Väter mit den Kindern spielen oder begleiten sie in den Zoo oder zum Fußballspiel. So sollen die Bedürfnisse der Kinder, die ein „Recht auf ihren Vater“ haben, und die Ängste der Mütter berücksichtigt werden.

Die deutschen Frauen hätten nach der Scheidung vor allem die Befürchtung, daß der Mann die Kinder einfach in sein Heimatland entführe. Das, stellt die Gesprächstherapeutin Doris Pfeiffer-Pandey fest, sind allerdings meist die „eigenen Phantasien“. Jeder Kindesmitnahme gingen vorher Drohungen und Streitereien voraus, in denen der ausländische Partner sich generell als der schwächere wiederfinde. Das gehe so weit, daß Frauen drohen, ihren Mann bei der Ausländerbehörde anzuschwärzen: „Die wollen ihn einfach abschaffen.“ In einem Fall habe eine Frau, um sich von dem Ehemann zu befreien, „nach acht Jahren Ehe und zwei Kindern“ behauptet, sie habe nur eine Scheinehe geführt. Nicht ohne Wirkung auf deutsche Frauen sei auch die Berichterstattung der Regenbogenpresse, die die Kindesentführung durch den Vater mit „herzzerreißenden Berichten“ aufbausche. Bei fast jeder kontroversen binationalen Trennung werde zwar damit gedroht, wirklich ausgeführt werde sie aber sehr selten.

Das Spezifische binationaler Scheidungen sei neben der gesetzlichen Ungleichheit der ausländischen Ehepartner, die vor allem in Bayern nach der Scheidung von Ausweisung bedroht sind, daß oft keine echte Integration beider Kulturen stattgefunden habe. Die IAF-Frauen bieten außer der Begleitung beim Treffen mit den Kindern auch Hilfe im Umgang mit Behörden an. Das Offenlegen „intimster Angelegenheiten“ falle vor allem den Männern sehr schwer. Sie empfänden das als „unehrenhaft“. In der Bundesrepublik wurden seit 1946 rund eine Million binationaler Ehen geschlossen. Die Scheidungsrate lag bis vor kurzem unter der der deutschen Ehen. Mittlerweile aber, stellten die IAF-Frauen fest, liegen sie leicht darüber. Ein ähnliches Beratungsprojekt besteht in München, ein weiteres ist in Berlin geplant.

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