Aus dem Reich der Toten

Der Tod verliert seine Geheimnisse. Niemand scheint mehr Respekt zu haben vor Freund Hein. Während früher versucht wurde, Gevatter Tod phantasievoll auszutricksen, wird er heute fast nur noch verarscht. Der australische Totengräber John Peryer z.B. versteht die Welt nicht mehr. Da hatte er gerade einen Sarg samt sterblichen Überresten eines Erdenbürgers in eine Kirche geschleppt und kaum drehte er sich um, um ankommende Trauergäste zu begrüßen, da war sein vor dem Gotteshaus abgestellter Leichenwagen auch schon weg. „Ist denn heute gar nichts mehr heilig“, lautet seine mit Leichenbittermine vorgetragene Klage.

In Brasilien scheint das düstere

Reich der Toten noch in Ordnung zu sein. Dort glauben die Einwohner der Kleinstadt Jacarezinho Zeugen eines Wunders zu sein: Der Leichnam des vor 50 Jahren gestorbenen Bischofs Dom Fernando Tadei sah wie lebend aus, als die Gruft in der Sao-Vincente-Kapelle geöffnet wurde, um den 1940 im Alter von 90 Jahren Verstorbenen in ein anderes Grab zu betten. Der Körper des toten Bischofs zeigte keinerlei Spuren von Verwesung, die Totenkleider waren wie neu. Sogar der Sarg aus schwarzem Holz glänzte noch. Der jetzige Bischof von Jacarezinho hat den Leichnam in einen Sarg mit Fenstern betten lassen, um den herbeiströmenden Massen zu zeigen, daß es sich nicht um eine Wundererscheinung handelt. In der Tat begann die Leiche nach der Graböffnung zu verfallen. Vermutlich hatten Zinkplatten auf dem Sarg zu der außerge

wöhnlich guten Konservierung des toten Bischofs wesentlich beigetragen. Doch die Einwohner des kleinen Städchens glauben nicht an eine wissenschaftliche Erklärung. Der Bischofssarg wird Tag und Nacht von Wundergläubigen bewacht.

Ein junger Australier, der Anfang Juli gestorben ist, versucht den Sensenmann zu blamieren. Er ließ seinen toten Körper tiefgefrieren und in die USA fliegen. Der 30jährige, an einem Gehirntumor gestorbene Programmierer Rocco Schiavello hatte schon vor seinem Ableben alles klar gemacht und den Wunsch geäußert als Tiefkühlgut nach Amerika gebracht zu werden. Dort hoffte er, später durch einen eventuellen technischen und medizinischen Fortschritt wieder zum Leben erweckt zu werden, erklärte ein Sprecher des Bestattungsunternehmens. Der Tote trat in einem Spezialsarg bei Minus 79 Grad seine Reise nach Los Angeles an. Schiavellos Optimismus und seine Hoffnung auf Auferstehung waren nicht billig. 125.000 Dollar mußte der Programmierer für die Unterkühlung berappen.

Karl Wegmann