Zurückhaltend, fusselig und richtungweisend

■ Hertha BSC - Karlsruher SC 1:1 (1:0) / Berlins Fußball-Bundesligist angelt sich einen nicht unbedingt verdienten Punkt

Olympiastadion. Ein Schicksalsspiel sollte es sein, stand zu lesen, eine vorentscheidende Begegnung gegen den Abstieg. Am dritten Spieltag also sollten die ebenfalls noch ohne Punktgewinn angereisten Gäste aus Karlsruhe laut erster Panikmache einiger Berliner Zeitungen Hertha BSC schon entscheidende Aufschlüsse über den weiteren Verlauf der Saison geben. Wenn das, was den 20.000 BesucherInnen im Olympiastadion gezeigt wurde, tatsächlich richtungweisend war, nun gut, dann bleibt eben nichts anderes übrig, als jetzt schon ohne jede Bosheit, nur spaßeshalber, den weiteren Saisonverlauf der Herthaner zu skizzieren.

Vorweg das Positive. Der erste Bundesligapunkt seit dem Mai des Jahres 1983 ist erbracht. Und er wurde gewonnen, obwohl er eigentlich gar nicht so recht verdient war. Was bei weiterem Glück der Herthaner darauf hoffen läßt, daß der bisherige Minusrekord von Tasmania mit acht Pluspunkten, immerhin schon 25 Jahre alt, nicht in Gefahr gerät.

Es wäre auch gemein, so etwas nur denken zu wollen. Schließlich hatten die Berliner bisher unter sehr ungünstigen Umständen zu leiden. Nicht zu verhindern war das Verletzungspech. Gegen den KSC wirkte sich das gleich dreimal aus. Regisseur Wolfgang Patzke wurde auf den Platz geschickt, obwohl nach seiner Verletzung der Trainingsrückstand merklich groß war, Theo Gries lag mit Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus, und zu allem Überfluß verletzte sich Uwe Rahn nach einem Foul bös am Knie und wird wohl für längere Zeit nicht mehr mitspielen können.

Schon eher zu verhindern wäre das mangelnde Selbstwertgefühl, unter dem die empfindsamen Hertha -Fußballerseelen momentan leiden. Daß schon etwas Muffen vorhanden sind nach den verpatzten und etwas unglücklichen ersten Spielen, gut gut, aber so zurückhaltend und fusselig wie am Samstag zu spielen, war schon eine arge Strapaze für die ZuschauerInnen.

Dabei hatten die Berliner das Glück, schon nach fünf Minuten sich ganz auf ihre Defensivtaktik beschränken zu können. Kruses Vorlage verlängerte Farrington durch einen mißglückten Torschuß zu Ex-Libero Greiser, der das Tor für seine Mannschaft schoß und diesmal keines gegen sie vorbereitete. Im weisen Wissen, daß es nicht mehr Tore würden, versuchten die Berliner, den Vorsprung über die Zeit zu retten. Dabei zeigten sie sich stark verbessert gegenüber den ersten Spielen, hatten aber Glück, daß die Karlsruher ebenfalls ihrem Stil treu blieben: Sie kombinierten schnell und überraschend, waren aber zu dämlich, die vielen herausgespielten Chancen zu nutzen.

Daß der KSC dennoch den Ausgleich schaffte, war wieder dem Hertha-Libero, diesmal Schlegel, zu verdanken, der den enteilten Simmes am Strafraum umsäbelte. Während die Berliner Mauer noch durch allerlei Kasperletheater beschäftigt war, den Abstand zum Ball zu verringern, vervollkommnete der kurzfristig aus Bologna gewechselte Brasilianer Geovani da Silva sein hervorragendes Spiel; mit unglaublichem Feingefühl lupfte er den Ball in die äußerste Torecke. Es war übrigens rätselhaft, warum der angeblich wie Maradona ausschauende, aber sicher ähnlich spielende und wirkende Geovani immer wieder unbehelligt seine Pässe schlagen konnte.

Selbst der KSC zeigte deutlich die momentanen Schwächen der Herthaner auf: langsames, statisches Spiel ohne Überraschungen, seltsame technische Mängel und grauselige Stellungsfehler in der Abwehr. Was in dieser Kraßheit überrascht, schließlich hatten die Berliner mit ihrer ersten Halbzeit gegen St. Pauli gezeigt, daß sie mehr als Dumpfgebolze beherrschen; und solch einen großen Knacks können ein paar Anfängerfehler nicht hinterlassen haben.

Mit Lockerheit und Zuversicht ist's jedenfalls vorbei. Die klitzekleine Überheblichkeit, mit der die Herthaner anfangs dachten, die Liga halten und den BesucherInnen angenehme Unterhaltung bieten zu können, ist nun großer Enttäuschung gewichen; weil die ersten 45 Bundesligaminuten wohl die letzten guten gewesen sind, denn in nächster Zeit wird im Olympiastadion sicher nur mit viel Gekrampfe und Gewürge um Punkte gespielt werden.

Schmiernik

Hertha: Junghans - Schlegel - Jakobs, Halvorsen Holzer, Greiser, Patzke, Rahn (27. Lünsmann), Gowitzke Kruse, Farrington (82. Klaus)

Karlsruher SC: Famulla - Bogdan - Bany, Süss (46. Scholl) - Simmes, Kreuzer, Metz, Geovani, Hermann - Carl, Schütterle