: Kein Verbraucherschutz für Wähler
■ Nicht jedes Sonderangebot ist ein Schnäppchen
KOMMENTARE
Deutsche Spitzen-Politiker im Sonderangebot! Mangels sächsischer Originale bieten wir: 1-A-Ex-Generalsekretär (CDU) und Noch-Bundesgeschäftsführerin (SPD).
Die Sachsen haben zugegriffen. Im Landtagswahlkampf treten gegeneinander an: Kurt Biedenkopf, CDU, aus Nordrhein -Westfalen, und die Hamburgerin Anke Fuchs, SPD. Ersterer ist immerhin mal in Merseburg zur Schule gegangen. Seine Herausforderin gibt zu, von dem Land, in dem sie Ministerpräsidentin werden will, keine Ahnung zu haben. Forsch behauptet sie: „Sachsen kann man lernen.“
Für die Leute in der Noch-DDR muß das ein seltsames und erniedrigendes Gefühl sein: Ab Oktober werden sie nicht nur von Bonn regiert. Auch die Vertreter der neuen Länder, die doch ihre Interessen gegenüber der Bundesregierung durchsetzen sollen, sind Westler. West-Milch, West-Autos und jetzt auch noch West-Ministerpräsidenten?
Und was steckt hinter dem nicht gerade billigen Top -Angebot? Kurt Biedenkopf, der Querdenker, ist in der CDU völlig abgehalftert. Er hatte es gewagt, die Grünen als politikfähig zu bezeichnen und wurde aus dem Präsidium und dem NRW-Landesvorsitz geschaßt.
Anke Fuchs, die festgefahrene SPD-Traditionalistin, kann nicht mit dem Zeitgeistler und Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine. Er wollte sie schon mal in den DGB-Vorsitz abschieben, jetzt freut er sich, seine Lieblingsfeindin nach Sachsen loswerden zu können. 1-A-Angebote?
Leute haben entweder keine Lust mehr, fühlen sich überfordert oder haben - wie der sächsische CDU-Chef Reichenbach - eine zwielichtige Blockparteien-Vergangenheit. Neben dem Sachsen hatten sich für die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl nur noch Westler beworben: der gescheiterte CDU-Revoluzzer Heiner Geißler und der Staatssekretär im nun überflüssigen Innerdeutschen Ministerium, Walter Priesnitz. Dagegen ist sogar der Modernisierer Biedenkopf noch ein Lichtblick.
Aber egal, wie brillant oder wie dröge die beiden, Spitzenkandidat und Spitzenkandidatin, auch sein mögen, ihre Interessen und Identität können die Sachsen nur selbst vertreten. Diese Chance haben sie verschenkt.
Tina Stadlmayer
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